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Von Tag zu Tag: One-Night-Stand

Sebastian Leber ist entzückt von einer sehr temporären Ausstellung

Als Spätzugezogener bekommt man diese Geschichten ständig aufgetischt: von illegalen Bars und Clubs und Kinos, von Partynächten in leeren Fabrikhallen, beleuchtet nur durch Tausende Teelichter. Damals in den Neunzigern, als Berlin noch wild war! Solche Geschichten nerven, wenn man selbst immer der ist, der nicht dabei war. Und dann das: Ein Anruf von einem Freund, geh Samstagabend in die schick gewordene Auguststraße in Mitte, rein in ein leerstehendes, baufälliges Wohnhaus, das Einzige weit und breit. Die morsche Holztreppe rauf und anschließend: einfach staunen. Über die kreisende Spielzeugeisenbahn, über aufheulende Staubsauger, über den zerfließenden Butterblock auf einem Podest. Es ist eine Ausstellung für bloß eine Nacht. Von 45 Künstlern der Stadt. Erst am Vorabend haben sie sich Zugang verschafft, bis in den späten Vormittag hinein aufgebaut, untereinander besprochen, wer was in welchem Raum zeigt. Skulpturen, Videoinstallationen, Fotografien. Es staubt, es riecht nach Becks und die Besucher drängeln sich im Treppenhaus. „Geist“ ist der Name dieser Ausstellung, weil sie kommt und geht wie einer. Wenn Montag die Bauarbeiter zurückkehren, werden sie sich wundern, woher der Butterfleck auf dem Boden stammt. Es wird so viel geschmunzelt über die Kreativen in dieser Stadt, über ihre Projekte und ihre Begeisterungsfähigkeit für abseitige Ideen. Dabei sind es so beseelte Aktionen wie „Geist“, die Berlin lebenswert machen. Ja, man kann das Hausfriedensbruch nennen. Man kann aber auch einfach mal überwältigt sein.

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