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Von Tag zu Tag: Sau raus

Bernd Matthies illustriert den Geschmackswandel beim Zeitunglesen.

Nicht stöhnen, Leute, das ist eine Retroüberschrift. „Am Wilden Eber die Sau rauslassen“ steht heute über unserem Marathonvorbericht, und natürlich brechen die Profis wegen dieser Zeile entkräftet zusammen. Der älteste Berlin-Marathon-Witz! Kannten schon die Griechen der Antike! Und ist die Strecke nicht längst so verändert, dass es gar keinen Sinn mehr hat, ausgerechnet an dieser Schmargendorfer Wegmarke das Tempo anzuziehen?

Archivarisch beschlagene Leser werden uns überdies vorwerfen, dass exakt diese Überschrift auch über einem Tagesspiegel-Bericht von 1983 stand. Aber das ist gerade interessant, um den Geschmackswandel im Zeitungsgewerbe zu illustrieren. Denn der Autor dieser Glosse, 1983 als Praktikant gerade in den Besitz eines frisch getippten Redakteursvertrags gekommen, wäre als Urheber jener seinerzeit noch recht vulgär wirkenden Überschrift fast rausgeflogen, bevor er überhaupt reingeflogen war.

Zugegeben: Franz Karl Maier, der damals das Sagen im Verlag hatte, war auch ein sehr eigenwilliger Verleger. Aber aus heutiger Sicht ist so etwas nur noch sehr schwer vorstellbar, nicht wahr? (Seite 14)

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