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Von Tag zu Tag: Sie schießen

Bernd Matthies sinniert über das gefährliche Leben der Pilzsammler

Da heißt es immer so kulturkritisch, der moderne Europäer ernähre sich nur noch von Fertigprodukten. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Denn erstaunlich viele Menschen leben gern von dem, was Feld und Flur ihnen auftischen, und das bedeutet aktuell: Sie marschieren in den Wald, wo die Pilze, vom Wetter beflügelt, aus dem Boden schießen, wie es nur noch Pilze können.

Das Erstaunliche daran ist das Gottvertrauen, mit dem die Pilzfreaks nichts ungesucht lassen. Pfifferling, Steinpilz und Marone sind was für Weicheier, der wahre Kenner unterscheidet präzis Wiesenchampignon von Knollenblätterpilz – und isst dann genau das Falsche. Gegenwärtig liegen sieben Menschen deshalb in der Charité, anfangs noch in Lebensgefahr wie wohl immer in diesem Fall, Folge tragischen Leichtsinns.

Was hat sie getrieben? Der Wiesenchampignon schmeckt gut – aber so viel besser als seine garantiert ungiftigen Vettern aus dem Supermarkt ist er auch wieder nicht. Die gute Waldluft lässt wohl den Jäger und erst recht den Sammler in uns durchbrechen. Und wenn diese beiden Typen zusammen auf die Pirsch gehen, hat der Verstand Pause.

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