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Von Tag zu Tag: Voller Nadeln

Andreas Conrad sieht sich im Oktober noch nicht nach einem Christbaum um

O Tannenbaum, o Tannenbaum, wo wirst du diesmal umgehau’n? Eine in Berlin etwas aus der Mode geratene Frage. Zu Mauerzeiten, vor mindestens 20 Jahresringen, geschah gerade die Lieferung des Baumes für den Breitscheidplatz unter großer öffentlicher Anteilnahme. Das Nadelgehölz hatte für West-Berlin etwa die gleiche identifikationsstiftende Bedeutung wie der legendäre Baum vor dem Rockefeller-Center für New York, und stets schwang in der grünen Gabe auch eine Art Treueschwur der stiftenden Gemeinde für die umzingelte Teilstadt mit. Dieser schöne Brauch kam nach dem Mauerfall zwar nicht zum Erliegen, wurde aber nüchterner bewertet. Es ging jetzt stets auch um Qualität, und die stimmte nicht immer. Mal war der Baum zu mickrig, mal zu zerzaust, ein Exemplar brach beim Aufstellen sogar entzwei. Da haben wir schönere Exemplare, wird sich mancher da gesagt haben, und so kam es bereits im vorigen Jahr zur Lieferung des Traditionsbaums aus den hiesigen Forsten und in diesem Jahr gleich wieder. Wenn also der Jahrmarkt nicht mit so viel Geräusch verbunden wäre, könnte man die neue Tanne vielleicht sogar säuseln hören: Ich bin ein Berliner. (Seite 12)

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