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Von Tag zu Tag: Von nah bis fern

Andreas Conrad gerät bei Bahnhofsnamen ins Träumen

Warum immer weiter schweifen? Sieh, das Gute liegt so nah.“ Bereits Goethe warnte vor allzu großem Fernweh und pries das Naheliegende. An solchem Rat ist manches dran, schon aus Rücksicht aufs Klima müssen wir unseren Drang in die Weite heute zügeln. Überraschend ist aber, wenn ein Verkehrsunternehmen, und sei es nur die BVG mit ihrem bescheidenen Wirkungsradius, der Ferne plötzlich abschwört. Zinnowitz soll also wegfallen und das Naturkundemuseum zum Namensstifter der betreffenden Station avancieren. Das mag Touristen einleuchten, ist aber zugleich symptomatisch für die Berliner Egozentrik, die sich gerade in der Wahl der Bahnhofsnamen widerspiegelt. Früher, da verwiesen sie auf entlegene Ziele, hießen Stettiner, Frankfurter, Schlesischer, Hamburger oder Anhalter Bahnhof - das waren die Goldenen Zeiten des Schienenverkehrs. Heute sind die Stationen verschwunden, umbenannt, zum Museum umgewandelt oder gar nur noch Ruine. Zuletzt konnte sich der Lehrter Bahnhof als Traditionsname für den Hauptbahnhof nicht durchsetzen, und nun muss das Ostseebad dran glauben. Berlin, so darf man es wohl deuten, ist sich selbst genug.

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