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Von Tag zu Tag: Wie früher

Christian van Lessen wundert sich über das Familienbild der Bundesregierung

Was für ein wunderschönes Bild: Sechs nette Leute, allesamt Wonneproppen, streben begeistert und zielgerichtet nach vorn. Ganz vorn auf der Zeichnung strahlt herzig der blonde kleine Junge auf seinem blauen Bobbycar, das mit zwei Deutschlandfähnchen geschmückt ist. Er steuert die Familie sozusagen ins Glück. Seine Mutter, gleich dahinter, blickt so beseelt wie die glückliche kleine Tochter daneben, deren Röckchen wippt und deren T-Shirt von „Wissenschaft, Wohlstand“ kündet. Alle in der Familie haben kluge Gesichter, allen geht es offensichtlich blendend, bestimmt auch finanziell. Der Familienvater im Hintergrund trägt sogar übermütig gezackte Gel-Haare, er strahlt die lächelnden Großeltern an. Sein Arm legt sich über die Schulter der jugendlich wirkenden Oma, die Senioren schreiten salopp in gedeckt-bunten Farben daher. Das alles ergibt ein geradezu blütenweißes Familienidyll, das in seiner Darstellungskraft mindestens an Schulfibeln der fünfziger Jahre erinnert. Alles auf dem Bild ist so klar, so strahlend, so blond und so dezent graumeliert, so altersübergreifend und harmoniebetont. Vielleicht ist es die Sicht auf die heile Welt des Zeichenstifts, die hier ein wenig irritiert, vielleicht das klischeehafte Blendwerk der jungen, gut geratenen Familie mit zwei Kindern und zwei glücklichen Großeltern im Schlepptau. In der vergleichsweise armen Single-Metropole mit hohem Ausländeranteil ist eine Bilderbuchfamilie dieser Art fast schon ein Auslaufmodell. Aber es gibt sie noch – auf dem Plakat der Bundesregierung zum Tag der offenen Tür am Wochenende.

Christian van Lessen

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