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Berlin: Von Teer zu Tartan

Straßenkinder treffen auf Spitzensportler im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark

„Spitzensportler und Straßenkinder teilen ein Problem: manchmal und unter Druck nehmen sie Drogen. Wenn auch aus anderen Gründen.“ Jörg Richert, Geschäftsführer des Vereins KARUNA, der Berliner Straßenkindern hilft, steht mit zehn seiner Schützlinge unter sengender Sonne im Jahnstadion. Und der Hürdenläufer Mike Fenner, die Läuferin Claudia Marx und der Weitspringer Kofi Amoha Prah zeigen ihnen ihren Sport.

Nun hat Berlin ja keine Favelas, in denen Kinder auf der Straße leben. „In Berlin gilt als Straßenkind“, hatte Richert erklärt, „wer seinen Lebensmittelpunkt auf der Straße hat.“ Das heißt, manchmal haben die Jugendlichen zwar noch ein Zuhause, kehren aber selten dorthin zurück, oder sie haben die Schule gegen die Straße eingetauscht, besorgen sich dort Drogen. Aber heute haben sie keine Teer-, sondern eine Tartanbahn unter ihren Sportschuhen.

Es sind zehn von ihnen hier im Stadion, zehn Jungs. „Mädchen“, hatte die Betreuerin Kerstin Siefert gesagt, „sind schon seit über einem Jahr Mangelware.“ Oft hätten sie andere, zu schwere Probleme, um in den KARUNA-Wohnprojekten zu leben. „Mädchen sind auch da“, hatte sie deshalb ihren Jungs für heute versprochen. David Strauß, 17 Jahre alt, mit karierten Shorts und einem nackten Oberkörper, den man nur als „definiert“ bezeichnen kann, ist einer von ihnen. Er lässt sich von Weitspringer Kofi Amoha Prah die richtige Armbewegung beim Springen zeigen. Aber es sind Flügel, nicht Arme, die er eigentlich bräuchte. „Red Bull“ rufen die anderen. Aber dort, wo er jetzt wohnt, im Projekt „Zwischenland“, dort, wo seine Hanteln liegen, gilt „Red Bull“ trinken schon als Rückfall - denn es ist zwar keine Droge, aber ein Aufputschmittel.

„Ich hätte gedacht, die sind noch jünger“, sagt die Läuferin Claudia Marx über die Jugendlichen. Wenn Marx heute nicht hier wäre, trainierte sie für einen 200-Meter-Lauf. Christian Schenk, Direktor des Stadion-Sportfests ISTAF, gefällt die Sache sichtlich. Er hatte mit Georg Ehrmann, dem Vorsitzenden der Deutschen Kinderhilfe, die Veranstaltung ausgeheckt. Jetzt macht er Animation, feuert an, wirft sich selbst recht altmodisch und bäuchlings über die Hochsprunglatte, mit Jeans und Lederschuhen, so dass seine Haare fliegen und die Latte liegen bleibt. Und er liegt hingebreitet hinter Christina Rau auf der Matte, als sie in ihrer Eigenschaft als Schirmfrau erzählt.

Wenn sie heute nicht hier wären, für den guten Zweck, der ja ihr eigener ist, so hatte der 17-jährige David erzählt, wären sie wahrscheinlich mit der Gruppe an einen See gefahren. Er weiß nicht, ob er dafür noch Zeit, hat, wenn er demnächst seine Ausbildung als Garten- und Landschaftsbauer beginnt. Aber noch ist es wie früher zu den Schulsportfesten: Jeder wartet auf den eigenen Einsatz. Keiner weiß, wie weit er springt. Urkunden gibt es am Ende für alle. ded

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