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Berlin: Von Tisch zu Tisch: Bellini in Tiergarten

Es gibt Verabredungen, da weiß man einfach nicht genau, welches Restaurant das richtige für den Anlass ist. Steht der potenzielle neue Freund eher auf elegant oder eher auf ganz schlicht?

Es gibt Verabredungen, da weiß man einfach nicht genau, welches Restaurant das richtige für den Anlass ist. Steht der potenzielle neue Freund eher auf elegant oder eher auf ganz schlicht? Von welcher Qualitätsstufe an läuft man bei einem an sich vielversprechenden beruflichen Kontakt Gefahr, als überkandidelt und hemmungslos hedonistisch zu gelten, und unter welches Niveau darf man nicht gehen, ohne dass der andere denkt, man habe seine Studentenzeit noch nicht richtig überwunden? In solchen Fällen hilft nur eins: ein Restaurant, das sich der Situation anpasst.

Zurückhaltende Eleganz verbunden mit einer Karte, von der man einen Salat mit einem Glas Chianti ebenso guten Gewissens wählen kann, wie ein anspruchsvolles Menü mit einem teureren Wein: Solche Restaurants sind meistens italienisch, vielleicht hat das was mit einem allumfassenden Stil zu tun, der ja auch in der Mode erfolgreich ist.

Das Bellini befindet sich am Lützowplatz, genau dort, wo das einst so vielversprechende Mensa ein allzu schnelles Ende nahm. Es gibt einen schönen Vorgarten, dezent, aber sehr malerisch gestaltete Wände, weiß gedeckte Tische, Kerzen, kleine Blumengestecke, schlichte Holzsstühle. Alles signalisiert guten Geschmack, ohne sich indes aufzudrängen. Natürlich müssen wir den Bellini als Aperitif probieren, aber der treibt es mit dem Understatement dann doch ein wenig zu weit: statt des trüben Pfirsichsaftes hätten wir mindestens zur Saison ein wenig Püree von weißen Pfirsichen schon goutiert. Bei dem Namen! (11,50 DM)

Das Restaurant ist allerdings nicht nach dem Drink benannt, sondern nach dem gleichnamigen Opernkomponisten. Es gibt Schwarzbrot und Weißbrot und (verpackte) Grissini. Dazu einen Insalata Bellini, der in seinen Dimensionen wieder eine sympathische studentische Note auf die Eleganz legt: Auf dem Eisbergsalat türmen sich bemerkenswert guter Schafskäse, Thunfisch, rote Zwiebeln, Tomaten und Gurken, und das Pfeffermühlenritual gibt es gratis dazu (19 DM). Eine angenehme Lässigkeit strahlt der Cocktail di Gamberetti aus, schön kalt und rosig und bemerkenswert frisch.

Wer an dieser Stelle ein wenig philosophieren möchte, vertiefe sich in die Aufschrift über der Bar: Freiheit bedeutet, dass ich alles, was ich besitze, bei mir trage. Das nun wird auf die Mehrheit der Gäste wohl nicht zutreffen, die sich doch vor allem aus dem gehobenen und entsprechend sesshaften Bürgertum der unmittelbaren Nachbarschaft rekrutierte. Für einen solchen Kreis war die gegrillte Seezunge gerade recht, ein achtbares, dabei aber nicht zu betagtes Exemplar, das mit maßvoller Show am Tisch filetiert und mit wenig Sauce dekoriert wurde; statt Spinat durfte man sich auch Brokkoli dazu wünschen (44 DM). Die Linguine ai Scampi waren wieder eher auf jugendlich getrimmt; richtig schön scharf, enthielten sie reichlich Knoblauch, Tomate, Chili und durften sich unter einem qualitätsreichen Parmesan begraben lassen (26,50 DM).

Zum Nachtisch empfahl man uns die flambierten Erdbeeren und Blaubeeren mit sanftem Karamelgeschmack und cremigem Vanilleeis (14,50 DM). Für die Anpassungsfähigkeit des Hauses spricht, dass der offene Chianti (0,2 = 9,50 DM) sich harmonisch fügte in die unmittelbare Nachbarschaft zur gut gekühlten, perfekt servierten Flasche Falanghina (54 DM). Auch beim Grappa (Nardini, 9 DM) und beim Espresso (Doppio, 7 DM) wurde nicht geschummelt.

An dieser Stelle möchte ich trotzdem kurz mal etwas loswerden. Ich habe in letzter Zeit zwei meiner absoluten Lieblingsrestaurants verloren, weil es nach einem gelungenen Abend völlig überflüssige, meist formell nicht mal zu beanstandende Trinkgeld-Piraterien gab. Liebe Kellner, wenn man sich aufgrund eines kurzfristigen Situationsvorteils überhöhte Summen sichert, hat man langfristig nicht unbedingt mehr in der Tasche, weil vielleicht das ganze Lokal leerer bleibt. Nur mal so als Beispiel: Wenn bei einer Rechung um die 200 DM am Ende mangels passenden Geldes 50 Mark auf dem Teller liegen, dann kann es durchaus sein, dass der Gast 25 oder 30 Mark geben will, den Rest aber gerne wiedersähe.

Diese kleine Belehrung steht hier nur deshalb, weil ich das Bellini so praktisch und im Grunde angenehm finde, dass ich es zum weiteren Gebrauch gern noch etwas optimieren möchte.

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