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Berlin: Von Tisch zu Tisch: Good Friends

Noch mal im Archiv nachgefragt. Nein?

Noch mal im Archiv nachgefragt. Nein? Nie was drüber geschrieben? Komisch. Aber auch wieder nicht. Denn wie soll man Verlässliches über ein Restaurant schreiben, das mehrere hundert Positionen auf zwei verschiedenen Speisekarten hat, Positionen, von denen einige nur in Chinesisch geschrieben sind? (Dies ist, im Vertrauen, ja überhaupt das Problem bei den meisten asiatischen Restaurants.)

Na, irgendwann muss es dann doch mal sein, der Bericht über das "Good Friends", wahlweise auch "Good Friend", die geheimnisumwitterte Speisestube in der Kantstraße. Allabendlich sitzen hier mehr Chinesen als irgendwo anders in Berlin, fühlen sich erkennbar wie zu Hause, und das gilt gemeinhin als gutes Zeichen. Laubsägearbeiten und Lampen mit Troddeln gibt es nicht, nur weitgehend nackte Wände, Tische mit pflegeleichten Glasplatten und Stühle, die so aussehen, als hätten sie schon einige Jahrzehnte Dienst in einer Pizzeria getan. Die Betreiber haben sich mal vor einigen Jahren einen edel aufgemachten Ableger hinter dem Kempinski gegönnt, doch der hatte keinen Erfolg. Ich habe dort mal hinter die Kulissen gesehen, viel Glutamat gerochen und wenig Geheimnisse.

Nun also das Original. Das größte und wahrscheinlich nicht zu entschlüsselnde Geheimnis dieser Restaurants ist, wie sie es schaffen, die Gerichte praktisch zusammen mit der Bestellung auf den Tisch zu packen; es ist so, als würde der Keller sich einmal umdrehen und dann die Wan-Tans mit einem Zaubertrick aus der Luft materialisieren. Wer auf mitteleuropäischem Rhythmus besteht, sollte erst den Wein kommen lassen, denn alle Versuche, die Küche zu bremsen, sind von vornherein zum Scheitern verurteilt. Nach einer Stunde ist alles gegessen.

Wo waren wie stehen geblieben? Bei der Karte. Es gibt hier sogar zwei, aber der Unterschied ist schwer zu definieren; man könnte sagen, dass die eine, kürzere, deutsch-englisch verfasste, eher den Erwartungen des Durchschnittsgastes oder Touristen entspricht, während die längere alles andere enthält, Seiten über Seiten bis hin zu Seegurken, Quallen, unbezahlbaren Suppen mit Abalone und den - von Tierschützern wohl zu Recht angegriffenen - Haifischflossen. Vorn am Eingang dümpeln in einem Becken ein paar lebende Hummer, die sich in dieser Nachbarschaft richtig traulich ausnehmen.

Der Mythos besagt, hier werde man nur als Chinese richtig verköstigt. Ich glaube nicht, dass eine solche Differenzierung in einem so brausenden, ständig belagerten Lokal überhaupt möglich ist. Man muss halt das Richtige treffen, und wir versuchten es zunächst mit den besagten Wan-Tan mit Krabbenfüllung, erkennbar hausgemacht, recht knusprig und mit einer der rituellen süß-sauren Saucen, in denen der Reisessig dominiert. Dann eine Nudelsuppe mit Entenbrust, von er es schon auf der Karte heißt, sie komme mitsamt Knochen. Sehr gut, sehr charakteristisch, elegant gewürzt. Man operiert ein wenig am Fleisch herum, sieht den Chinesen an den anderen Tischen dabei zu, wie sie gegen jede erdenkliche deutsche Tischsitte verstoßen - und schließt sich an. Es ist ohnehin nicht möglich, eine solche Nudelsuppe - sehr lange Nudeln! - mit Stäbchen oder dem üblichen Löffel zu essen, ohne irgendwie aus der Rolle zu fallen.

Weiter in der Lotterie mit Seezungenfilets mit Paprika in Schwarzer-Bohnen-Sauce. Serviert wird ohne Umschweife und ohne die rituellen Warmhalteplatten, wir bekommen Schüsseln statt eines Tellers. Das ist einfach: Reis unten hinein, dann den Fisch drauf, Schüssel in Mundnähe gebracht, und dann alles mit den Stäbchen hineingeschaufelt. Sehr würziger Ingwerduft, die in Stücke geschnittenen Fischfilets ein wenig glitschig von Stärke, in der recht scharfen Sauce die brennende Intensität des unvermeidlichen Glutamats (36 Mark). Ähnlich intensiv, gleichwohl von großem Wohlgeschmack das Lammfleisch nach Art des Hauses mit knackigem Staudensellerie (28 Mark). Obwohl die Portionen nicht klein sin, erwischt man sich dabei, wie man immer wieder ansetzt und so langsam alles vernichtet.

Anständige Weine, alles gut, alles in der Berliner Asien-Spitzengruppe, dazu aufmerksamer, bestens eingespielter Service. Allerdings finde ich nicht, dass dieses Restaurant nun in einer eigenen Liga spielt. Um das rechtsverbindlich festzustellen, müsste man sich freilich erst einmal von 1 bis 375 durch die Karte essen. BERND MATTHIES

Good Friends[Tel. 313], Kantstr.30[Tel. 313], Charlottenburg[Tel. 313]

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