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Wie ein Essen an Bord: Im Kreuzberger Restaurant Rio Grande sitzt es sich mit Blick auf die Spree außergewöhnlich schön.

© Rio Grande / promo

Von TISCH zu TISCH: Rio Grande

Ein etwas verstecktes Restaurant direkt an der Spree. Eines, das man gern haben muss. Und seit kurzem kocht dort ein guter Bekannter

Der Name führt in die Irre, dieses Restaurant hat mit Tex-Mex-Küche nun wirklich nichts zu tun. Aber Berlins Genießer wissen längst, dass ihr Rio Grande die Spree ist, und dass es in diesem unter der Straße am Ufer versteckten Restaurant österreichisch getönte Küche mit ebensolchen Weinen gibt, und das in lebhafter, relativ lauter Atmosphäre. Wer internationale Gäste hat und ihnen sowohl das traditionelle Kreuzberg als auch das Wachsen eines halben neuen Stadtteils am anderen Ufer zeigen will, der kommt an diesem Ort nicht vorbei. Unbedingt Tisch am Fenster bestellen – dann schwimmen die Enten fast in Griffnähe und bringen den Gast ins Grübeln, ob er die Vettern in der Küche tatsächlich essen möchte ...

Eine deftige Küche

Gut jetzt. Das Problem des „Rio Grande“, das von den Horváth-Gründern Edith Berlinger und Dietmar Schweizer geführt wird, waren die zu häufigen Wechsel in der Küchenchef-Position. Der neue Mann ist nun Tilo Roth, der in Berlin schon viel herumgekommen ist, zuletzt im „The Grand“ und im „Gasthaus am Ufer“. Deshalb weiß man, dass er kein Filigrantechniker ist, sondern im Zweifel deftig mit Bodenhaftung kocht und vor allem großartige Steaks grillt. Auch hier steht neben Simmenthaler das feine Dry-aged-Fleisch von Rico Schlegel auf der Karte, es sei Fans (ich bin keiner) dringend empfohlen.

Mal mehr, mal weniger Kontrast

Wir haben es also links liegen lassen und uns auf die etwas komplexeren Gerichte konzentriert. Mit Salaten beginnt dieses Kapitel auch ziemlich unspektakulär, aber sie schmecken. Der Feldsalat mit Trauben und Kürbiskernen (9 Euro) kann mit Crottin de Chavignol, Backhendl oder Räucherforelle ergänzt werden, auch der Roquefort mit gegrillter Birne, Früchtebrot und Walnuss (11,50) ist eine Art Salat, würzig, kontrastreich. Lachs kommt in der Vorspeisenabteilung als Dreier aus Rillette, Räucherlachs und einem Tatar aus gebeiztem Lachs – ganz gut, aber die Begleitung aus Gurke, Papaya und Brot täuschte auf der Karte eine gewisse Frische vor, die in der Realität ausblieb (14,50). Das war kein Problem beim Gänseteller mit Pastrami aus der Brust und gebratener Leber auf Quittenkompott mit Sellerie-Pomelo-Salat (17), es zeigte aber auch, dass die Küche hier bodenverhaftet bleibt und mögliche Kontraste und belebende Säurespitzen eher wegbremst – eine Stilfrage, keine Kritik.

Ein Tick zu viel Glut

So war es auch bei der ausgezeichnet rosa gebratenen Entenbrust in sanft süßer Feigensauce mit Schwarzwurzeln; weshalb hier Buchteln die Rolle der eigentlich überflüssigen Sättigungsbeilage spielten, erschloss sich nicht (19,50). Sehr ausgewogen schmeckte das magere Eisbeinfleisch auf cremiger Polenta mit Spitzkohl-Kaiserschoten-Salat (16,50), und das Steinbuttfilet, angesichts des Preises (24,50) von generöser Größe, schwamm mit Grünkohlstreifen, Beluga-Linsen und Bete-Scheiben ebenfalls in Bodennähe; ich würde raten, die Jakobsmuschel obendrauf einfach wegzulassen und den Fisch dafür nicht ganz so schroff zu braten, weil er dann trocken wird. Hier sind die Pfannen noch richtig glutheiß, das ist manchmal ein Vorteil und manchmal eben nicht.

Liebenswürdig kalkuliert

Die Desserts gleichen den schwindenden österreichischen Einfluss ein wenig aus, jedenfalls bei den mit Nougat gefüllten Topfenknödeln mit Rumpflaumen und weißem Schokoeis (8,50) oder dem Schokotörtchen mit Passionsfrucht und Himbeersorbet (9,50). Wunderbar finde ich die große, geradezu liebenswürdig kalkulierte Weinkarte, die den köstlichen Veltliner „Alte Setzen“ von Huber zum Beispiel für 34,50 Euro anbietet. Übrigens gibt es hier jeden Tag auch Frühstück (ab 10 Uhr) und günstigen Lunch. Man muss dieses Restaurant also einfach gern haben – auch wenn die Küche noch ein wenig mehr Schliff brauchen kann.

- Rio Grande, May-Ayim-Ufer 9, Kreuzberg, Tel. 61 07 49 81, täglich von 10 bis 1 Uhr, Betriebsferien 1. bis 11. Januar

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