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Bild aus vergangenen Jahren: Polizisten stehen am 1. Mai 2017 in Berlin Vermummten Teilnehmern der nicht angemeldeten "Revolutionären 1. Mai-Demonstration" gegenüber.

© Ralf Hirschberger/dpa

Vor dem 1. Mai in Berlin: Polizei muss auch künftig Demo-Routen mitteilen

Die Polizei bezweifelte die Berliner Linie: Denn Vorab-Informationen über Demos könnten das Versammlungsrecht einschränken. Doch die Innenverwaltung greift ein.

Warum gehen Menschen demonstrieren? Mag es Wut, Hoffnung oder Zugehörigkeit sein – alle üben ein fundamentales Recht aus. In Deutschland ist dieses Recht in den Artikeln 5 und 8 des Grundgesetzes manifestiert, den Artikeln für Meinungsfreiheit und Versammlungsfreiheit. Es wird demonstriert, um seine Meinung öffentlich kundzutun, um einen Beitrag zur gesellschaftlichen Meinungsbildung leisten zu können. Doch was, wenn von der Meinungsäußerung niemand so wirklich etwas mitbekommt?

Polizei wollte zum 1. Mai keine Details mehr mitteilen

Im Vorfeld des 1. Mai, bei dem Ausschreitungen durch die linke Szene befürchtet werden, hieß es bei der Pressestelle der Berliner Polizei plötzlich: „Eigentlich dürfen wir gar nichts mehr mitteilen.“ Statt Ort, Zeit, Route und Teilnehmerzahl der angemeldeten Veranstaltung teilte die Pressestelle in den vergangenen Tagen nur noch die Uhrzeit und den Bezirk der Demonstrationen mit.

Grund dafür sei eine Einschätzung des polizeilichen Justiziariats aus dem Jahr 2013 gewesen. Die kam zu dem Schluss, dass die Informationsweitergabe durch die Polizei zu einer Einschränkung der Grundrechte führen und den Verlauf einer Veranstaltung beeinflussen können. Ein Beispiel: Ein Demonstrationszug könnte durch die Vorab-Informationen durch die Polizei dann aufgrund einer Blockade durch Gegner nicht weiterziehen. Doch das Justiziariat konnte sich nicht durchsetzen, nach wenigen fiel die Vorgabe in sich zusammen.

Denn am Mittwochnachmittag hat Berlins Innenstaatssekretär Thorsten Akmann (SPD) eingegriffen. Er stellte klar: „Die bisherige Praxis der Polizei Berlin bei der Bekanntgabe von Informationen zu Demonstrationen bleibt unverändert.“ Die seit vielen Jahren gängige Regelung, zeitnah vor der jeweiligen Versammlung Informationen auf Nachfrage an die Presse herauszugeben, bleibe bestehen. Damit sendet die Innenverwaltung eine deutliche Absage an die Polizeiführung.

Auch Körting und Henkel setzten auf Transparenz

Genau dieser Punkt hatte bereits 2011 für Streit zwischen Senat und Polizei gesorgt: Damals verschwieg die Polizei mehrere Neonazi-Aufmärsche, um Gegendemonstrationen oder Störungen der Veranstaltungen zu vermeiden. Mehrere Gegendemonstrationen linker Veranstalter wurden im Folgejahr nicht oder erst in letzter Minute genehmigt, oft nur fernab der eigentlichen Demonstration.

Die aufeinanderfolgenden Innensenatoren Ehrhart Körting (SPD) und Frank Henkel (CDU) vertraten beide die Ansicht, es bestehe ein generelles Informationsgebot der Polizei: Spätestens 24 Stunden vor einer Versammlung oder Kundgebung müsse die Pressestelle Auskunft erteilen. Nur in Einzelfällen, zum Beispiel bei Blockadeaufrufen, könne diese Regelung ausgesetzt werden.

Die Reaktion aus der Polizei auf Akmanns Intervention war verhalten. Es bleibe abzuwarten, wie das Verwaltungsgerichte im Einzelfall mit der Herausgabe von Informationen über Demonstrationen umgeht.

Akmann kündigt modernes Versammlungsgesetz an

Kritik an den Überlegungen der Polizei, ein Informationsembargo für Details von Demonstrationen zu verhängen, gab es am Mittwoch auch aus der rot-rot-grünen Koalition. Der Linke-Innenexperte Niklas Schrader twitterte etwa: „Die Polizei übt sich in neuer Intransparenz. Geht gar nicht. Dann müssen wir die Veröffentlichungspflicht halt ins Versammlungsgesetz schreiben.“

Die aktuelle rot-rot-grüne Regierung hatte sich für ein liberaleres Demonstrationsrecht ausgesprochen. Im Koalitionsvertrag heißt es: „Die Koalition will Zeit und Ort von Demonstrationen veröffentlichen und setzt sich dafür ein, dass Gegenproteste in Hör- und Sichtweite zugelassen werden.“ Dazu stimme die rot-rot-grüne Koalition gerade „ein modernes Versammlungsfreiheitsgesetz“ ab. „Berlin zeigt sich täglich als weltoffene Stadt mit tausenden Demonstrationen im Jahr. Da gehört es zur politischen Kultur, Protest und Gegenprotest im Rahmen unser demokratischen Werte zu ermöglichen“, erklärte Akmann.

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