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Berlin: Vor der Wahl: Positionen: Ist Diepgen an allem schuld?

Eine Initiative "Berlin braucht Bürger" fordert den früheren Regierenden Bürgermeister Diepgen auf, nicht für den Bundestag zu kandidieren. Ob der Adressat der Aufforderung gut beraten ist, als Spitzenkandidat seiner Partei in den Wahlkampf zu ziehen, mag man bezweifeln.

Eine Initiative "Berlin braucht Bürger" fordert den früheren Regierenden Bürgermeister Diepgen auf, nicht für den Bundestag zu kandidieren. Ob der Adressat der Aufforderung gut beraten ist, als Spitzenkandidat seiner Partei in den Wahlkampf zu ziehen, mag man bezweifeln. Man kann sich auch fragen, warum er sich das "antut". Ebenso ist die besorgte Frage verständlich, ob und was es für Berlin bringt, wenn er Mitglied des Bundestags wird.

Unangemessen und falsch allerdings ist es, ihn für die Misere der Stadt in der Weise verantwortlich zu machen, wie dies in dem offenen Brief geschieht. Berlin ist nicht zuletzt durch die plötzliche Einstellung des Bundeszuschusses nach der Wiedervereinigung in eine Situation geraten, die objektiv nicht zu bewältigen war: mehr Aufgaben durch die dazu gekommenen Bezirke im Osten und weniger finanzielle Mittel. Sachlich unbegründet ist, ihm die Schieflage der Bankgesellschaft zuzuschreiben. Der Regierende Bürgermeister war nicht Mitglied des Aufsichtsrats. Unter anderem waren dies die frühere Finanzsenatorin, die der SPD angehört und Mitglieder des heute im Amt befindlichen Senats. Selbstverständlich war er bei der Berufung des Vorstandsvorsitzenden und des Vorsitzenden des Aufsichtsrats beteiligt, vielleicht sogar durch "wesentliches Zutun", wie es in dem offenen Brief heißt. Beiden Amtsträgern ging ein guter Ruf voraus. Zweifel wurden erst viel später laut, als die Defizite bekannt waren.

Gewiss hätte man sich manchmal energischeres Handeln des Regierenden gewünscht. Wer einen Blick in die Verfassung wirft, stellt fest, dass der Vorsitzende des Senats keine Richtlinienkompetenz hat. Die von Diepgen geführten Koalitionen, zunächst mit der FDP, nach der Wende mit der SPD waren stets labil. Eine härtere Linie hätte leicht den Bruch bedeuten können.

Es war ein Fehler, den angeschlagenen Fraktionsvorsitzenden Landowsky nach dessen Rücktritt zum stellvertretenden Landesvorsitzenden der Partei zu machen. Im Nachhinein wäre es auch besser gewesen, Diepgen hätte Neuwahlen früher zugestimmt. Aber alles Wenn und Hätte ist belanglos. Eberhard Diepgen hat während seiner Amtszeit Wesentliches für die Stadt geleistet und er hat auch manches verhindert, was Berlin, wäre es denn eingetreten, Schaden bedeutet hätte. Ihn allein verantwortlich zu machen für die höchst prekäre Situation ist falsch und unfair.

Was in diesem Zusammenhang allerdings Sorge bereitet, ist das Gebaren der CDU. Einen Mann wie Rupert Scholz ins Aus zu manövrieren, grenzt schon an Selbstverstümmelung. Der Fraktionsvorsitzende im Berliner Abgeordnetenhaus will offenbar nicht wahr haben, daß er - im übrigen nicht nur durch eigenes Zutun - verbraucht ist. Die ziemlich zahnlos wirkende CDU erweckt nicht den Eindruck, als könne sie eine kraftvolle Oppositionsarbeit leisten. Dort herrscht zum Teil Apathie. Sie muss überwunden werden. Das kann geschehen durch Initiativen wie "Berlin braucht Bürger". Aber bitte, auch was die Vergangenheit angeht, mit Augenmaß.

Der Autor war von 1986-89 parteiloser Senator f&uu

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