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Die Lehrer trudeln ein - die Schüler noch nicht.

© Doris Spiekermann-Klaas

Vor Ende der Sommerferien in Berlin: Jeder siebte Neulehrer stammt aus Bayern

Morgen fängt die Schule an - aber nur für Lehrer. Drei Tage vor Ferienende laufen die Vorbereitungen für das neue Schuljahr auf Hochtouren. Innerhalb eines Jahres wurden in Berlin 2000 neue Lehrer eingestellt, viele aus Bayern und Baden-Württemberg.

Zum zweiten Mal in Folge ist es Berlin gelungen, innerhalb eines Jahres rund 2000 neue Lehrer einzustellen. „Ich vermute, dass weniger als 50 Stellen unbesetzt sind“, sagte Dieter Haase vom Vorstand des Gesamtpersonalrats dem Tagesspiegel. Noch immer gingen einzelne Bewerbungen ein. Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) will erst am Donnerstag Bilanz ziehen. Am Freitag enden die Sommerferien.

Aufgrund der Pensionierungswelle reichen Berlins eigene Lehramtsanwärter nicht aus, um alle frei werdenden Stellen zu besetzen. Aus diesem Grund ist es nötig, auf Seiteneinsteiger aus anderen Berufen zurückzugreifen. Haase schätzt, dass unter den neuen Kräften rund 300 Akademiker ohne pädagogische Ausbildung sind.

Wenn ihnen außerdem noch ein Zweitfach fehlt, müssen sie berufsbegleitend ein Zweitstudium absolvieren, bevor sie ein berufsbegleitendes Referendariat nachholen. Dass nicht noch mehr Seiteneinsteiger benötigt wurden, liegt an den vielen Bewerbern aus anderen Bundesländern, insbesondere Bayern und Baden-Württemberg. Jeder siebte Neulehrer stammt aus Bayern.

Wie viele Lehrer aus Berlin nach Brandenburg abgewandert sind, um dort verbeamtet zu werden, will Brandenburg ebenfalls erst Donnerstag bekannt geben.

Die Schulleiter sind schon da

In den Berliner Schulen hat der große Endspurt bereits am Montag begonnen: Während die Schulleiter am Montag ihre Büros aufschlossen, waren viele Putzkolonnen am Werk, um die letzten Reste des vergangenen Schuljahres zu beseitigen. Mancherorts waren aber auch noch Bauarbeiten in vollem Gange.

Inzwischen drängt die Zeit, denn erstmals seit der Wende füllen sich bereits mitten in der letzten Ferienwoche die Lehrerzimmer: Ab Mittwoch müssen alle Pädagogen in ihren Schulen präsent sein. Mit Fachkonferenzen oder Fortbildungen beginnt für sie das Schuljahr. Viele Lehrer nutzen diese neue dreitägige Präsenzpflicht aber auch dafür, ihre eigenen Klassenräume etwas persönlicher herzurichten. Insbesondere die Lehrer von Erst- und Siebtklässlern wollen ihren Schülern den Neubeginn erleichtern, indem sie die Räume schmücken oder zumindest ein paar neue Plakate anbringen.

Neue Rekordzahlen in Pankow

Schwierig wird es für die Schulen, die zusätzliche Klassen aufnehmen müssen: Trotz vieler Proteste sehen insbesondere Pankow und Mitte keinen anderen Ausweg, als an mehreren Standorten mehr Kinder unterzubringen als mit den räumlichen Vorgaben oder mit den pädagogischen Profilen vereinbar.

Drangvolle Enge. Mit einem Konzert in engen Pappboxen protestierten die Schüler der Allegro-Grundschule anlässlich des 40-jährigen Jubiläums der musikbetonten Schulen gegen den drohenden Verlust einer Schuletage.
Drangvolle Enge. Mit einem Konzert in engen Pappboxen protestierten die Schüler der Allegro-Grundschule anlässlich des 40-jährigen Jubiläums der musikbetonten Schulen gegen den drohenden Verlust einer Schuletage.

© Kai-Uwe Heinrich

„Wir haben alles mobilisiert, was man mobilisieren kann“, berichtet Pankows Bildungsstadträtin Lioba Zürn-Kasztantowicz (SPD). Beim Gedanken an die vielen Wohnungen, die in ihrem Bezirk noch gebaut werden und Pankow zusätzliche Kinder bescheren, bekommt sie „ein bisschen Gänsehaut“. Zurzeit werden an vier Standorten Modulare Ersatzbauten (MEBs) errichtet, weil die Zeit nicht reicht, um vollständige Schulen zu planen.

Die Stadträtin geht davon aus, dass Pankow inzwischen mehr Erstklässler hat als vor der Wende: Rund 4800 Kinder werden hier am 5. September eingeschult – Berliner Rekord. Insgesamt erwartet die Bildungsverwaltung 30 100 Erstklässler und damit etwas weniger als 2014. Dies kann sich aber aufgrund der Flüchtlingszahlen und weiterer Zuzüge noch ändern. In etlichen Bezirken steigen die Zahlen.

6000 Kinder wurden ein Jahr zurückgestellt

Schwierig ist auch die Lage in Mitte: Etliche Grundschulen müssen zusammenrücken. Die Eltern von fünf Weddinger Schulen hatten sich daraufhin über den „Dilettantismus seitens des Schulamts und Schulaufsicht“ beschwert. Zu den Besonderheiten des Schuljahres 2015/16 gehört, dass man letztmalig einen Antrag stellen musste, wenn man sein Kind nicht der Früheinschulung aussetzen wollte.

2016/17 entfällt der Antrag für jene Kinder, die zwischen dem 1. Oktober und 31. Dezember 2016 das sechste Lebensjahr vollenden. Ab 2017/18 wird die Schulpflicht dann auch per Gesetz um ein Vierteljahr verschoben. Wie berichtet, haben dieses Jahr rund 6000 Familien ihre Kinder von der Schulpflicht zurückstellen lassen. Dafür kommen aber 5300 Kinder zur Schule, die 2014 Aufschub bekommen hatten.

"Wir begrüßen die Präsenzpflicht"

Zu den Schulen, die die neue Präsenzpflicht der Lehrer begrüßen, gehört die Kurt-Schwitters-Sekundarschule in Prenzlauer Berg. Die drei Tage sind längst verplant: Am Mittwoch tagen die Fachgremien, am Donnerstag die Jahrgangsrunden und am Freitag alle zusammen. Es gebe in diesen Tagen viel zu organisieren, berichtet Schulleiterin Katrin Kundel, zumal unter ihren 100 Lehrern auch zwölf Referendare sind, die eingeplant und betreut werden müssen. „Das war im ersten Moment ein Schreck, aber andererseits bringen die jungen Leute auch so viel Energie, Kraft und Ideen mit“, sagt Kundel. Viele Schulen haben sich auch Fortbildungen eingekauft.

Die dreitägige Präsenzpflicht war bereits vor zwölf Jahren beschlossene Sache gewesen. Dann aber musste der damalige Bildungssenator Klaus Böger (SPD) davon wieder Abstand nehmen – als Ausgleich für die Mehrarbeit, die die Lehrer zu leisten hatten. Dieser „faule Kompromiss“ war damals scharf kritisiert worden.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) will erst kommende Woche einen Überblick über den Stand der Einstellungen zum neuen Schuljahr geben – auf Grundlage einer Umfrage in den Schulen. Auch wenn jetzt formal fast alle Stellen besetzt seien, wolle man in Erfahrung bringen, wie die konkrete Lage in den Schulen sei. „Dass genügend Menschen da sind, sagt ja nichts über die Qualifizierung“, sagte GEW-Chef Tom Erdmann am Montag auf Anfrage.

Fernsehtipp: "Lehrer über Nacht. Quereinsteiger im Klassenzimmer" lautet eine Sendung der Serie 37 Grad, die an diesem Dienstag ab 22.15 Uhr im ZDF gesendet wird.

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