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Berlin: Vor zwei Jahren gewann er nur knapp den Landesvorsitz - jetzt sind alle Kritiker verstummt

"Wir haben keinen Besseren." Mit Eberhard Diepgen ist es einfach zum Verzweifeln.

"Wir haben keinen Besseren." Mit Eberhard Diepgen ist es einfach zum Verzweifeln. Fragt man in diesen Tagen in den oberen Etagen der Berliner CDU - bei den Getreuen, bei den aus Prinzip loyalen Geistern oder gar bei den notorisch kritischen - nach möglicher Konkurrenz zum CDU-Landesvorsitzenden, sind die Antworten beinahe wortgleich. Mitte Februar wählen die Christdemokraten eine neue Führungsspitze und zum neunten Male hintereinander Eberhard Diepgen zu ihrem Vorsitzenden.

Klaus Landowsky, der CDU-Fraktionschef, sprach sich vor einigen Tagen und nicht völlig überraschend für die Diepgen-Wiederwahl aus. Noch vor zwei Jahren wäre das eine Botschaft an das Diepgen-kritische Lager gewesen, man werde das Feld nicht ohne Gegenwehr räumen. Anfang 2000 hallt die Landowsky-Äußerung nach wie ein umfallender Sack im Fernen Osten. Diepgen, der auf sein siebentes Lebensjahrzehnt zusprintet, ist die mittelfristige Zukunft der CDU, die "vernünftige Lösung" (Landowsky). Selten zuvor saß er so sicher im Sattel wie jetzt.

Diepgen hat es nach seiner desaströsen Wiederwahl zum Landesvorsitzenden im Februar 1998 (mit gerade 62,6 Prozent) geschafft, den damaligen "innerparteilichen Klärungsprozess" ruhig wie beharrlich und letztlich eindeutig für sich zu entscheiden. Die Diepgen-Kritiker im sogenannten Gesprächskreis "Union 2000" sind verstummt. Diethard Schütze, der einst als möglicher Herausforderer galt, steht wegen dubioser Privatgeschäfte im Fadenkreuz der Staatsanwaltschaft und im parteipolitischen Abseits. Verquere und frustrierte Widersacher wie im zerstrittenen Wilmersdorfer Kreisverband zogen sich zurück oder werden nicht mehr ernst genommen.

Ohnehin handzahme Nachwuchstalente wurden mit Regierungs- oder anderen attraktiven Aufgaben ins Geflecht eingebunden, wo sie mangels anderer, herausragender Persönlichkeiten dringend gebraucht werden. Agile Personen wie der neue Finanzsenator Peter Kurth oder Wirtschaftssenator Wolfgang Branoner stehen auf dem liberalen Flügel in der ersten Reihe der neuen Generation. Mit dem erst 34-jährigen Reinickendorfer Frank Steffel wird ein politisches Talent gefördert, das schon jetzt die bodenständige, volksnahe Verbalattacke beherrscht, ohne gleich intellektuell ins gänzlich Dumpfe abzugleiten - und doch Lichtjahre vom rhetorischen Farbenspiel des Klaus Landowsky entfernt ist.

Die Kritiker sind verstummt. Diepgen selbst unterzog sich vor guten einem Jahr einer professionellen PR-Operation, die aus dem blassen Aktenfanatiker einen sportlichen wie elegant auftretenden Regierungschef mit Marathon-Qualitäten formte. Zwar wird Diepgen nie der glänzende, schillernde Politiker mit einer magisch anziehenden Aura sein. Dafür hat er sein Image gefestigt, Ziele beharrlich wie glaubwürdig und ohne ein Übermaß an Effekthascherei zu verfolgen. Eine Mischung aus Stil und Charakter, die sich an der Parteibasis wie bei der Berliner Wählerschaft 1999 verfestigt hat. Die von Diepgen gegen mannigfaltige Widerstände auch in den eigenen Reihen durchgesetzte Bezirksgebietsreform ist das herausragende Beispiel. Unterstützung erhielt Diepgen bei seiner persönlichen Runderneuerung von einer Berliner SPD, die der CDU auf deren Weg zu einem grandiosen Wahlsieg freiwillig aus dem Weg ging.

Der Erfolg Diepgens wird durch die Organisationsstruktur der Berliner CDU ungemein begünstigt. Der Verzicht auf eine Landesliste für die Wahlen zum Abgeordnetenhaus verschiebt die innerparteiliche Entscheidungsgewalt in die großen Kreisverbände. Auf Bezirksebene, gespeist von der Kiez-Prominenz, wird das Personalangebot der CDU gewählt. Einige unter den jüngeren Verantwortungsträgern der Union nehmen das als Garantie dafür, dass in der politischen Arbeit der CDU gewisse Qualitätskategorien bis auf weiteres nicht überschritten werden. Zugleich bleibt damit der Einfluss des Parteichefs gering, beispielsweise bei der Anwerbung talentierten Personals auch von ausserhalb oder gar ohne CDU-Parteibuch. Vorsitzende großer Kreisverbände wie beispielsweise der designierte CDU-Chef der zur Zusammenlegung anstehenden Kreise Steglitz/Zehlendorf, Uwe Lehmann-Brauns, haben wohl ungleich mehr Macht, hinter den Kulissen an den Strippen zu ziehen als der Landesvorsitzende selbst.

Wie eingeschränkt ihre Möglichkeiten seien können, haben Diepgen und Landowsky im ablaufenden Jahr selbst zu spüren bekommen. Eine anständige Frauenquote bei der Kandidatenaufstellung konnte Diepgen nicht ansatzweise durchsetzen. Landowsky, von den Zehlendorfer Diepgen-Kritikern geschasst, fand in Charlottenburg nur durch einen Trick einen sicheren Wahlkreis: Im Gegenzug unterstützte er den dortigen Bezirksfürsten und Diepgen-Intimfeind Ingo Schmitt bei dessen Europakandidatur gegen den alt-getreuen Tiergartener Peter Kittelmann. Dieser revanchierte sich mit seiner Kandidatur für das Abgeordnetenhaus und wird nun dem fusionierten CDU-Hauptstadtkreisverband vorstehen. Verläuft das Geben und das Nehmen weiter in geordneten und selbst ausgehobenen Gräben, ist auch der selbstbestimmte Abgang des Duos Diepgen/Landowsky zu Ende der Legislaturperiode im Jahr 2004 nicht in Gefahr. Und jemand, der ihnen vorzeitig den Staffelstab entreißen könnte, ist nicht in Sicht.

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