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Berlin: Vorangebracht

Brigitte Grunert über die Sprache der Politiker

Manche Politiker wundern sich ja über die von Wahl zu Wahl sinkende Wahlbeteiligung. Doch was soll man machen, wenn ihnen keine klangvollen Lockrufe einfallen? Bei der Lektüre platter und unbeholfener Formulierungen in den Werbeflyern der Parteien hatte man nur die Wahl, entweder einzunicken oder sich zu ärgern. So ging es mir jedenfalls mit den Faltblättern, die mir in meinem Wohnbezirk Steglitz-Zehlendorf in die Hände fielen. Nur zwei seien herausgegriffen. Der Kandidat für das Amt des Bezirksbürgermeisters erklärte im Telegrammstil, wofür er sich einsetzt, zum Beispiel für „den Erhalt der vorklinischen Medizin im Bezirk“. Hm, man überliest glatt, worum es geht, nämlich um die vorklinische Ausbildung der Medizinstudenten am Universitätsklinikum Benjamin Franklin (Steglitz). Der nunmehr künftige Bezirksbürgermeister – die CDU ist Sieger im Bezirk – erläuterte auch das Wahlverfahren. Nichts gegen diesen Service, aber ich stolperte über den Satz: „Die Verteilung der 55 Sitze in der BVV erfolgt entsprechend der für die jeweilige Partei abgegebenen Stimmen.“ Da ist er wieder, der falsche Genitiv. Es bleibt nun mal richtig, dass die Sitzverteilung entsprechend den abgegebenen Stimmen erfolgt. Die Präpositionen entsprechend und gemäß stehen eben mit dem Dativ, was leider oft ignoriert wird.

„Unter Führung des Senats und der SPD haben wir die Herausforderungen ... angepackt und vorangebracht“, betonte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit in dem SPD-Flyer, in dem sich auch ein Kandidat für das Abgeordnetenhaus vorstellte (der gewählt wurde). Schön und gut, nur ist mir schleierhaft, wie man Herausforderungen voranbringt. Fett gedruckt las ich: „Berlin für alle. Von mir persönlich.“ Da würde sich Wowereit aber übernehmen. „Persönlich“ fühlt er sich verantwortlich. Kann man sich auch unpersönlich verantwortlich fühlen?

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