zum Hauptinhalt
Die Jansastraße 12 in Berlin-Neukölln

© Franziska von Werder

Update

Matratzen statt Wohnungen vermietet: Frist für Vorkaufsrecht für Neuköllner Haus läuft bald aus

In einem Haus in Neukölln werden Wohnungen nicht mehr zum dauerhaften Wohnen vermietet, sondern gewerblich genutzt. Der Stadtrat sieht ein „fatales Signal“, sollte der Senat nicht aktiv werden.

Stand:

Nur noch wenige Tage bleiben dem Neuköllner Baustadtrat Jochen Biedermann (Grüne), um das Vorkaufsrecht für das Haus in der Jansastraße 12 im Norden des Bezirks anzuwenden. „Diesen Fall einfach durchlaufen zu lassen, wäre ein fatales Signal“, sagt Biedermann und fordert Unterstützung des Senats. Die Frist läuft demnach am 19. November ab.

Wie berichtet, will der Bezirk hier erstmals in den Verkaufsprozess eingreifen, weil die Umnutzung des Hauses nicht mehr dem eigentlichen Wohnzweck entsprechen soll. Das Amt verweist dafür auf die Milieuschutzverordnung, mit der Mieter:innen in angespannten Wohnungsmärkten geschützt werden sollen.

Das Amt habe Hinweise darauf, dass in dem Haus in einigen Wohnungen massiv und ohne Genehmigung die Grundrisse verändert worden seien, sagte Biedermann dem Tagesspiegel im Oktober. Das heißt, dass offenbar zumindest ein Teil der Wohnungen in Mini-Zimmer aufgeteilt wurde, die zu unklaren Bedingungen vermietet werden.

„Die Eingriffe sind derart schwerwiegend, dass wir davon ausgehen, dass das Haus den eigentlichen Wohnzweck nicht mehr erfüllt“, sagte Biedermann. Dazu komme, dass ein Teil der Wohnungen offenbar illegal für Gewerbezwecke genutzt würde. „Aus unserer Sicht kann man da teilweise nicht einmal mehr von Wohnen sprechen“, sagte Biedermann damals, ohne weiter ins Detail zu gehen.

Das Haus wirkt von außen eher unauffällig: weder besonders schick, noch besonders baufällig.

© Franziska von Werder

Auf eine Anfrage der Grünen-Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) konkretisierte Biedermann nun: Nach intensiver Recherche, auch vor Ort, „muss das Bezirksamt davon ausgehen, dass eine Mehrzahl der Wohnungen nicht mehr zum dauerhaften Wohnen, sondern gewerblich genutzt wird.“ Das zeige sich etwa an der hohen Fluktuation der Mieter:innen. Zudem seien viele Wohnungen an Firmen statt an Personen vermietet.

Matratzenlager in Zwei-Zimmer-Wohnung

Das Amt habe etwa eine Zwei-Zimmer-Wohnung besichtigt, in der dem Anschein nach fünf Personen lebten. Demnach war die Wohnung lediglich mit Matratzen auf dem Boden möbliert. Mindestens eine weitere Wohnung soll ähnlich vermietet werden. Biedermann sprach in der BVV von „einer sehr primitiven Form der Beherbergung“, die gewerblich und somit milieuschutzwidrig sei.

In weiteren Fällen seien Wohnungen unerlaubt geteilt, Grundrisse geändert und modernisiert worden. „Die Umbauten erfolgten, um zusätzlich Zimmer für das Geschäftsmodell ‚möbliertes Wohnen auf Zeit‘ zu schaffen und sind nicht genehmigungsfähig“, sagte Biedermann.

Von innen macht das Haus einen abgelebten Eindruck, der Hausflur riecht nach Urin.

© Franziska von Werder

In diesem Fall müssten Senat und Bezirk Handlungsfähigkeit beweisen, sagte Biedermann: „Wer solche Geschäftspraktiken bekämpfen will, muss die Bezirke und die städtischen Wohnungsgesellschaften in die Lage versetzen, das Vorkaufsrecht ausüben zu können“. Nur so könne die Situation schnell verbessert werden. „Würde der Senat nicht unterstützen, wäre die Signalwirkung mit Blick auf illegale Vermietungspraktiken fatal.“

Zugleich kündigte Biedermann ein Verwaltungsverfahren an, sollte der Vorkauf nicht erfolgreich sein. Dieses sei allerdings mit deutlich höherem Aufwand verbunden.

Bezirksamt reizt Grenzen des Vorkaufsrechtes weiter aus

Das Bezirksamt reizt damit die legalen Grenzen des Vorkaufsrechtes weiter aus. Seit das Bundesverwaltungsgericht 2021 die bis dahin in vielen Bezirken angewandte Vorkaufsrechtpraxis untersagte, wurde das Verfahren nur noch in zwei Berliner Fällen angewandt.

Im September 2023 kaufte Neukölln ein Haus in der Weichselstraße zugunsten der landeseigenen Wohnungsgesellschaft Stadt und Land vor, im Mai 2024 wandte Pankow das Vorkaufsrecht für das bekannte „Tuntenhaus“ in der Kastanienallee an. In beiden Fällen argumentierten die Bezirke mit dem schlechten baulichen Zustand der Häuser.

Im Mai 2025 konnte Neukölln erstmals wieder eine Abwendungsvereinbarung abschließen: Bei dem Haus in der Braunschweiger Straße hatte der Bezirk ebenfalls Baumängel, aber auch illegale Sanierungsarbeiten und Grundrissänderungen angeführt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })