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Der angeklagte Taxifahrer wies die Vorwürfe des Totschlags zurück.

© dpa

Vorm Berliner Landgericht: Taxifahrer wegen Totschlags angeklagt

Ein 52-jähriger Taxifahrer soll einen randalierenden Passanten vorsätzlich überfahren haben. Seit Montag muss er sich nun vor Gericht dafür verantworten.

Blechernes Trommeln und Geschrei hallte durch den Morgen. Ein Mann, der kurz zuvor aus einem Szeneclub geflogen war, reagierte seine Wut an einem Taxi ab. „Er lief auf die Fahrbahn, stoppte das Auto und schlug mit Fäusten auf die Motorhaube“, sagte ein Zeuge vor dem Landgericht. Der Taxifahrer sei mehrfach angefahren. Erst langsam, dann stärker, schließlich „mit Schwung“. Kurz darauf lag der Randalierer regungslos auf der Straße. War es ein Totschlag durch Einsatz eines Taxis? Veysel E. wies den Vorwurf bei Prozessbeginn am Montag zurück. Der Mann von 52 Jahren ist seit etwa 25 Jahren als Taxifahrer unterwegs. Ein eher schmächtiger Familienvater mit weißen Haaren ist der Angeklagte. Vorstrafen hat er nicht. Als ein Verkehrsrowdy sei er nie aufgefallen, hieß es am Rande der Verhandlung.

Doch am 18. Februar 2017 soll er in der Straße Vor dem Schlesischen Tor in Kreuzberg versucht haben, den randalierenden Moncef B. mit dem Auto aus dem Weg zu schieben. „Bewusst einmal“ sei er mit „deutlich über Schrittgeschwindigkeit“ liegendem Tempo auf den 31-Jährigen zugefahren. „Um diesen zu verletzen“, heißt es in der Anklage. Dabei habe Veysel E. den Tod des Geschädigten zumindest billigend in Kauf genommen.

Der Passant war betrunken und aggressiv

Moncef B. stürzte mehrfach. Immer wieder sei er aufgestanden und habe von dem Auto nicht abgelassen, schilderten Zeugen. Bei dem heftigsten Anstoß sei er allerdings mit dem Kopf gegen die Frontscheibe geprallt. „Danach taumelte er.“ Neun Tage später erlag der aus Tunesien stammende Mann seinen schweren Verletzungen.

War dem Taxifahrer, der sich täglich im oft aufreibenden Straßenverkehr bewegt, der Kragen geplatzt? Verlor er die Kontrolle über sich? E. bestritt, aggressiv gewesen zu sein. Als Opfer eines wütenden Passanten sieht er sich. „Er rannte auf meinen Wagen zu, schlug mit der Faust gegen die Scheibe, kam dabei immer höher“, erklärte er. Empört wirkte der Angeklagte. „Ich bekam Panik!“

Hinter dem Taxifahrer lagen erst wenige Touren, als er am Club „Chalet“ vorbeikam. Moncef B. stand zu dem Zeitpunkt auf der Straße. Er stritt mit einem der beiden Sicherheitsmitarbeiter, die ihn gerade vor die Tür gesetzt hatten. B. soll betrunken gewesen sein und sich aggressiv gegenüber Club-Gästen benommen haben. „Er machte sich am Absperrgitter zu schaffen und wollte zurück in die Bar“, sagte ein 38-jähriger Zeuge. Die Türsteher hätten ihm keine Beachtung geschenkt. „Erst ging er zur Bushaltestelle, doch dann lief er auf die Straße.“

Die Schilderungen des Angeklagten und von Zeugen gehen von dem Punkt an auseinander. „Der Mann schlug auf das Taxi, das Auto fuhr an“, so ein zufälliger Beobachter Drei- bis viermal sei das so abgelaufen. „Der Passant trat auch gegen den Wagen.“ B. sei sehr aggressiv gewesen. Der Taxifahrer habe ihn wohl beiseite schieben wollen. „Erst war es ein leichtes Anstupsen, dann fuhr er mit aufheulendem Motor und zunehmend energisch an.“

War ein Ausweichen möglich gewesen?

Veysel E. schilderte dagegen eine Situation, aus der er kaum entkommen konnte. „Ich habe zunächst zurückgesetzt.“ Der Randalierer, der blutig und aggressiv auf seinen Wagen gedroschen habe, sei ihm gefolgt. „Ich dachte, der läuft die Motorhaube hoch.“ Wenn der Mann fiel, habe er gebremst. Der Fremde habe ihn schlagen wollen. „Ich hatte Angst.“ Weil angeblich „viele Autos“ hinter ihm waren und er keinen „schweren Unfall“ verursachen wollte, sei er schließlich vorwärtsgerollt.

„Ich dachte, er wird schon wegspringen. Ist er aber nicht“, erklärte der Angeklagte. Er habe den Mann nicht erfassen wollen. Warum er nicht die Polizei gerufen oder den Notfallknopf in seinem Wagen gedrückt hatte? „Ich habe nicht daran gedacht.“ Warum er nicht ausgewichen ist? „In dem Moment tauchten von links und von rechts weitere Männer auf.“ Wie B. dann vor das linke Vorderrad geraten war, könne er nicht sagen.

Einer der Augenzeugen hatte bei der Polizei erklärt, das letzte Anfahren sei aus seiner Sicht „mit Schwung und absichtlich erfolgt“. Für den Taxifahrer sei ein Ausweichen möglich gewesen. „Er hätte auch einfach aussteigen und Passanten um Hilfe bitten können“, sagte der 38-jährige Zeuge. „Beim letzten Anfahren sah man, dass ihm die Sicherungen durchgebrannt sind“, so ein weiterer Augenzeuge.

Veysel E. wurde am Tag nach dem Crash von weiterer Untersuchungshaft verschont. Seinen Führerschein hat er bis heute. Der Prozess um Totschlag und gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr geht am nächsten Montag weiter.

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