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Berlin: Vorne ist, wo Schmitt sitzt

Gegen den CDU-Landeschef war schon zu Regierungszeiten der Union kein Kraut gewachsen

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

„Ich wollte immer Einfluss nehmen“, hat Ingo Schmitt vor einem Jahr gesagt, als er 50 Jahre alt wurde. „Das geht nur, wenn man Positionen besetzt und um sie kämpft, notfalls gegen Neider und Missgönner.“ Es war wohl ein Fehler, dass Friedbert Pflüger sich bei dieser Geburtstagsfeier entschuldigen ließ. Sonst hätte er den CDU-Landeschef und dessen formidables Durchhaltevermögen vielleicht weniger unterschätzt.

Schmitt hat in der Berliner CDU bisher fast jedes Ziel erreicht, das er sich in den Kopf gesetzt hat. Kaum war er volljährig, wurde der Charlottenburger Gymnasiast 1975 Parteimitglied. Da überholte die Union gerade die zerbröselnde Landes-SPD als stärkste Partei. Sechs Jahre später, 1981, rückte Schmitt ins Abgeordnetenhaus ein. Da wurde Richard von Weizsäcker gerade Regierender Bürgermeister. Damals sammelte die CDU 48 Prozent der Wählerstimmen ein – nie zuvor und seitdem nie wieder waren die Christdemokraten so erfolgreich.

Schmitt nutzte die lange Regierungszeit der Union, um gut voranzukommen: Vom Ortsverbandschef der Jungen Union über den Kreisvorsitz im mächtigen CDU-Kreisverband Charlottenburg-Wilmersdorf bis zum Vize-Landeschef und Generalsekretär. Von 1991 bis 1999 war er außerdem Staatssekretär, zuständig für die Verkehrspolitik des Senats, anschließend rückte er ins Europaparlament ein. Immer wieder setzte er sich dabei gegen die – angeblich viel mächtigeren – Parteioberen durch. Der Arbeitskreis „Union 2000“, eine politisch bunte Truppe junger oppositioneller CDU-Leute, half ihm dabei. Gut vernetzt ist halb gewonnen. Kaum einer weiß das so gut wie Schmitt.

Kaum war die „Union 2000“ gegründet, tauchten 1997 erste Putschgerüchte gegen den damaligen CDU-Landeschef und Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen auf. Niemand nahm das so richtig ernst, aber schon ein Jahr später wurde Diepgen bei der Wiederwahl zum Parteivorsitzenden ganz gemein abgewatscht, er bekam nur 60 Prozent der Stimmen. Zwei Jahre später war Schmitt Generalsekretär – gegen den Willen Diepgens. Und das Europamandat handelte er 1999 geschickt dem früheren CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky ab. Denn Landowsky suchte einen neuen CDU-Kreisverband als sichere politische Heimat. Schmitt nahm ihn gern auf. Im Gegenzug ließ Landowsky einen seiner engsten Freunde, Peter Kittelmann, fallen. Der durfte nicht mehr nach Straßburg und Brüssel.

Als die Berliner CDU 2001 die Regierungsmacht verlor, war Ingo Schmitt auch der Oppositionsrolle souverän gewachsen. Das lange anhaltende innerparteiliche Machtvakuum nutzte er, um auch jene Ämter auszuprobieren, die er noch nicht ausgefüllt hatte. 2003 wurde Schmitt Landesschatzmeister, und 2005 erfüllte er sich seinen alten Traum, nämlich CDU-Landesvorsitzender zu werden. Parallel dazu wechselte er vom EU-Parlament in den Bundestag. „Und ich bleibe auf der Brücke, bis Rot-Rot abgelöst ist.“ Auch das hat Schmitt auf seiner Geburtstagsfeier gesagt.

Dabei ist es Schmitt egal, dass ihn Parteifreunde, die ihn nicht so mögen, schon mal als „grinsendes Eisbein“ beschimpfen und sich über seine Provinzialität lustig machen. Am Ende gewinnt, wer die Hausmacht hat und die Mehrheiten organisiert. Und das ist – noch – Schmitt. Der Union hilft das nicht. Nach dem Bankenskandal stürzte sie von 40,8 Prozent der Wählerstimmen (1999) auf 23,8 Prozent (2001) ab und hat sich davon nicht erholt. Seitdem hat die SPD die Nase vorn, die aber auch aus bitterer Erfahrung weiß, dass es immer noch schlimmer kommen kann, wenn Orientierungslosigkeit, Flügelkämpfe und ein Dauerstreit um das Führungspersonal die Oberhand gewinnen. Ulrich Zawatka-Gerlach

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