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Welche wege führen zu einer besseren Verwaltung in der Hauptstadt.

© dpa/ Sebastian Gollnow

Vorschläge von 25 Verbänden: Wie Berlins Verwaltung effizienter werden soll

Zwei Dutzend Verbände aus Berlins Wirtschaft und Gesellschaft fordern "eine Stadt, eine starke Verwaltung" - und haben einen Maßnahmenkatalog präsentiert.

Von
  • Markus Lücker
  • Ulrich Zawatka-Gerlach

Drei Jahre dauert es für gewöhnlich, bis in Berlin ein Zebrastreifen entsteht. 1095 Tage, in denen der nötige Antrag von Arbeitsgruppe zu Ämtern zu Bau- und Ingenieursbüros wandert – 18 Verfahrensschritte im Durchschnitt. Und das ist bei weitem nicht der einzige Bereich, und auch nicht der wichtigste, wo es nach Meinung von 25 Berliner Verbänden aus Wirtschaft und Gesellschaft bei den Berliner Behörden zu Chaos und Verzögerungen kommt.

Zu den Kritikern gehören die Industrie- und Handelskammer (IHK), aber auch die evangelische Kirche und der Landessportbund. Sie wollen sich die Missstände nicht mehr gefallen lassen. Mit einem Katalog an Sofortmaßnahmen wünschen sie sich "eine Stadt, eine starke Verwaltung".

Was fordern die Verbände?

Drei große Themenbereiche stehen im Zentrum. Zunächst sollen einheitliche Prozesse geschaffen werden. "Wir haben zwölf Bezirke und zwölf unterschiedliche Verfahrensweisen. Damit muss Schluss sein", sagte IHK-Hauptgeschäftsführer Jan Eder bei einer ersten Präsentation am Donnerstag.

Wer als Restaurantbetreiber auf die Idee kommt, ein paar Stühle und Tische auf den Gehweg vor dem Laden zu stellen, muss etwa zwei Meter für Passanten frei lassen, in Reinickendorf wird per Einzelfall geprüft und und in Spandau müssen sich sich zwei Rollstuhlfahrer begegnen können. "Das ist die Höchststrafe für jemanden, der in mehreren Bezirken tätig ist", sagte Eder. Stattdessen solle der Senat eine zentrale Steuerungsfunktion einnehmen, wie es auch die Verfassung von Berlin vorsehe.

Effiziente Strukturen – lautet so auch der zweite große Komplex der Forderungen. Gleiche Aufgaben sind oft je nach Bezirk auf unterschiedliche Ämter verteilt. Das soll vereinheitlicht und die Entscheidungsgewalt der Bezirksbürgermeister mit dem Ziel einer deutlicheren Hierarchie gestärkt werden.

Dafür wäre jedoch eine Änderung des Bezirksverwaltungsgesetzes notwendig. Die dritte Forderung ist, die Arbeit attraktiver für das öffentliche Personal zu machen. Mehr Karrierechancen und höhere Gehälter sollen Absolventen anziehen. Das sei in den vergangenen Jahren immer schwieriger geworden, sagen die Verbände – weil sowohl die Privatwirtschaft als auch Bundesbehörden oft besser bezahlen würden als die Landesbehörden.

Woher kommt die Dringlichkeit?

"Herzlich Willkommen zur Runde der Optimisten" begrüßte Berlins IHK-Präsidentin Beatrice Kramm die Anwesenden der Auftaktveranstaltung. Eine vielsagende Formulierung. Zwar stellten sie und die anderen Partner im Laufe der Veranstaltung immer wieder klar, dass sie sich ein kooperatives Verhältnis zu den Behörden wünschen.

Das Wort "Optimisten" macht trotzdem deutlich: Die Lage ist ernst und für alles andere als eine schnelle Einigung ist eigentlich keine Zeit mehr. Allein um die Pensionierungen in der überalterten Berliner Landesverwaltung auszugleichen, müssen die Verwaltungen bis Ende 2024 etwa 30.000 neue Mitarbeiter finden. Ob das geschafft werden kann, ist fraglich.

Zwar gebe es genug Geld, sagte etwa der Präsident des Landessportverband, Thomas Härtel, aber alleine bei den Sportstätten gebe es "einen enormen Sanierungsstau im dreistelligen Millionenbereich". Immer schwingt die Angst mit, dass sich die Situation noch verschlimmern wird, wenn zehntausende Mitarbeiter in den Verwaltungen fehlen.

Die geforderten strafferen Strukturen könnten aber dabei helfen, notfalls mit weniger Mitarbeitern auszukommen. Zudem dürfte eine langsame Verwaltung die Stadt zunehmend unattraktiver für Unternehmen machen, wie Jan Eder betonte. "Das ist der schlechteste Standortfaktor für die Stadt."

Auch der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) fühlt sich von den bürokratischen Zuständen betroffen. Und die Sorgen sind mit aktuellen Forderungen nach der Enteignung von Immobilienkonzernen, die von der Regierungspartei Linke unterstützt wird, noch gewachsen.

BBU-Vorstand Maren Kern sagte dem Tagesspiegel, dass es für neue Wohnungen wichtig sei, "die Zuständigkeiten für Bauplanungsverfahren stärker auf Senatsebene zu konzentrieren". Hierdurch würden Strukturen geklärt, Bezirke entlastet und die Planung beschleunigt.

Wie reagiert die Politik?

Daumen nach oben, buchstäblich. Berlins Staatssekretär für Verwaltungsmodernisierung Frank Nägele (SPD) saß bei der Veranstaltung in der ersten Reihe und gab das entsprechende Handzeichen: "Das ist tatsächlich ein großer Tag für Berlin." Bisherige Bemühungen seien daran gescheitert, dass die Verhandlungspartner gegeneinander gearbeitet hätten.

Die neue Initiative sei hingegen Rückenwind für ihn und seine Stelle. Es solle nun gemeinsam geguckt werden, ob die Forderungen in die richtige Richtung gehen oder ob sie anders gewichtet werden müssen. Nägele, erst seit neun Monaten im Amt, ist sich "sicher, dass wir erstmals Ziele erreichen können".

Der Senat hatte im vergangenen Sommer einen "Zukunftspakt Verwaltung" angekündigt, der im Mai angeblich auf den Weg gebracht werden soll. Wirtschaftsenatorin Ramona Pop (Die Grünen) erhofft sich dafür von der neuen Kampagne der 25 Verbände, die Wirtschaft und Gesellschaft vertreten, "neue Impulse und Fortschritte".

Unklar ist noch, wie sich das mit der Absicht der Regierungspartei SPD verträgt, auf einem Landesparteitag ebenfalls im Mai wegweisende Beschlüsse zur Berliner Verwaltungsreform zu fassen. Eine interne Arbeitsgruppe bereitet die Anträge dafür vor. Ob dies kompatibel sein wird mit den Absichten der Koalitionspartner Linke und Grüne, wird man sehen.

Haben die Verbände recht?

Voll und ganz. Im Grunde geht es bei den Forderungen und Anregungen, die aktuell diskutiert werden und mit der konzentrierten Aktion von 25 Verbänden neuen Schwung bekommen, um Selbstverständlichkeiten. Einheitlich funktionierende Anlaufstellen in Bezirken und Hauptverwaltung, schnelle Entscheidungswege zwischen den Behörden und im Konfliktfall eine zentrale Steuerung durch den Senat sind notwendige Voraussetzungen, um privaten Unternehmen als Kunden und Zulieferer der öffentlichen Hand das Leben leichter zu machen.

Ein klassisches Beispiel, aber eben nur eine Dienstleistung von vielen, sind Baugenehmigungen und Bebauungspläne. Ein anderes Beispiel sind Ausschreibungsverfahren, die verständlich und transparent sein sollten. Und so viel wie möglich sollte im Kontakt zwischen Bürgern, Unternehmen und Behörden online erledigt werden können.

Dies alles funktioniert nicht ohne ausreichendes und gut ausgebildetes Personal. Diese Forderungskataloge werden von Wirtschaftsverbänden und Kammern in Berlin seit vielen Jahren gebetsmühlenartig vorgetragen, von Senat und Bezirken freundlich aufgenommen, aber nicht erfüllt.

Welche Ideen sind bisher auf dem Tisch gewesen?

An Ideen hat es noch nie gemangelt. Vor 35 Jahren legte eine Enquetekommission des Abgeordnetenhauses weitreichende Vorschläge zur Reform der Berliner Verwaltung vor. Unzählige Gremien innerhalb und außerhalb der Politik, engagierte Praktiker in den Behörden und wissenschaftliche Experten befassten sich seitdem intensiv mit dem Thema. Vieles wurde verändert, aber es kam nie dazu, dass man sagen konnte: Die Berliner Verwaltung ist fit für die Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft.

Der letzte Anlauf wurde im Juni 2018 unternommen, als eine Fachkommission unter Leitung des ehemaligen Vize-Chefs der Bundesanstalt für Arbeit, Heinrich Alt, im Auftrag des Senats Empfehlungen zur "Verbesserung der gesamtstädtischen Verwaltungssteuerung" vorlegte.

Die Experten fanden besonders wichtig: Die beschleunigte Einstellung qualifizierten Personals, eine klare Regelung der Landes- und Bezirkskompetenzen in der Einheitsgemeinde Berlin, schnellere Planungen und Genehmigungsverfahren, die rasche Digitalisierung der Verwaltungsabläufe und ein besseres Management der Reformen. Grundlegende Veränderungen der zweigeteilten Berliner Verwaltung, mit einer ministerialen und einer (recht eigenständigen und eigenwilligen) kommunalen Ebene, wurden ausgeklammert.

Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) lobte den Bericht und sah "gute Chancen für Strukturveränderungen". In einer nachfolgenden, desaströsen Klausurtagung des Senats konnte sich Rot-Rot-Grün aber nicht darauf einigen, welche Vorschläge der Alt-Kommission tatsächlich umgesetzt werden sollten.

Übrig blieb das wolkige Versprechen, gemeinsam mit den Bezirken einen "Zukunftspakt Verwaltung" zu schmieden. Und seit April vergangenen Jahres bemüht sich Nägele in der Senatskanzlei darum, ein wenig Ordnung in einen Reformprozess zu bringen, deren Erfolge bisher aber kaum erkennbar sind.

Nur im Detail gibt es Fortschritte. Einstellungsverfahren wurden beschleunigt, die Bezahlung vieler Bediensteter verbessert und die IT-Ausstattung teilweise modernisiert. Von einem effektiven E-Government kann aber nicht die Rede sein, der Personalmangel nimmt besorgniserregende Züge an und das Kompetenzwirrwarr zwischen Bezirken und Senatsbehörden, das seit Gründung von Groß-Berlin am 1. Oktober 1920 Tradition hat, besteht weiter.

Die Wiedereinführung einer Fachaufsicht des Senats über die Bezirke wurde gefordert, aber wieder vergessen. Gleiches gilt für die Vereinheitlichung der Verwaltungsstrukturen auf bezirklicher Ebene, die Stärkung der Bezirksbürgermeister und strengere Auswahlverfahren für Stadträte. Vielleicht arbeitet der Senat ja gerade an einem Geheimkonzept.

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