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Berlin: Vorschülern fehlen einfachste Kenntnisse der deutschen Sprache Zwei Drittel benötigen Zusatzförderung / Untersuchung in den Innenstadtbezirken

Von Susanne Vieth-Entus Zwei Drittel der Schulanfänger in den Innenstadtbezirken sprechen schlecht Deutsch, obwohl sie Kindergarten oder Vorschule besucht haben. Dies ist das Ergebnis einer Sprachstandsmessung von knapp 10 000 angehenden Abc-Schützen durch die Senatsschulverwaltung.

Von Susanne Vieth-Entus

Zwei Drittel der Schulanfänger in den Innenstadtbezirken sprechen schlecht Deutsch, obwohl sie Kindergarten oder Vorschule besucht haben. Dies ist das Ergebnis einer Sprachstandsmessung von knapp 10 000 angehenden Abc-Schützen durch die Senatsschulverwaltung. Besonders alarmierend ist, dass selbst unter den deutschen Kindern die Hälfte einen zusätzlichen Förderbedarf hat. Eine Weddinger Grundschulleiterin will jetzt schon die Vierjährigen in die Vorschulklassen holen, um die Kinder zwei Jahre lang auf den Unterricht vorbereiten zu können.

Die Untersuchung der Schulanfänger wurde zwischen Februar und März an 145 Schulen in Neukölln, Mitte, Friedrichshain-Kreuzberg und Tempelhof-Schöneberg durchgeführt. Ziel war es, schon rechtzeitig vor Schulbeginn einschätzen zu können, wie viel zusätzlichen Deutschunterricht die Erstklässler in jeder einzelnen Schule brauchen werden. In zwei Jahren wird überprüft, wie sich ihre Fertigkeiten entwickelt haben. Rund die Hälfte der zukünftigen Erstklässler in den vier Bezirken sind inzwischen nichtdeutscher Herkunft. Von ihnen haben fast 60 Prozent „intensivsten Förderbedarf“, wie Untersuchungsleiter Andraes Pochert erläuterte. Dies bedeutet, dass sie wohl viele Wochenstunden Unterricht im Fach „Deutsch als Zweitsprache“ brauchen. Weitere 30 Prozent von ihnen brauchen ebenfalls zusätzliche Deutschstunden, aber eben etwas weniger als die erstgenannte Gruppe. Nur 10,8 Prozent der ausländischen Kinder sprechen so gut Deutsch, dass sie dem Unterricht ohne weitere Hilfen folgen können.

Alarmierend ist, dass selbst unter den Kindern deutscher Herkunft 12,8 Prozent sind, die die intensivste Förderung brauchen. Ein weiteres Drittel hat leichteren Förderbedarf. Auch unter ihnen gibt es also Sechsjährige, die nicht fehlerfrei sagen können, wo sie sich befinden oder ob der Teddy, mit dem sie spielen, auf oder unterm Bett liegt.

Immerhin 58,3 der Untersuchten befanden sich in einer Vorklasse, 38,2 Prozent in der Kita. Angesichts der offenbar fehlenden Erfolge bei der Sprachförderung in den vorschulischen Einrichtungen bekräftigte Böger sein Vorhaben, Erzieher und Vorklassenleiter fortbilden zu lassen. An den geplanten Kürzungen von 1100 Erzieherstellen soll dennoch festgehalten werden. Böger gab aber zu, dass diese Sparmaßnahme nicht das Signal sei, das man angesichts des dringenden Reformbedarfs in den Kitas brauche. Wie berichtet, wird es am 15. Juni eine Elterndemonstration gegen die schlechte Sach- und Personalausstattung der Kitas geben.

Für die Missstände bei den Sprachfertigkeiten gebe es mehrere Ursachen, sagte Schulsenator Böger. Die Kinder ausländischer Herkunft hätten häufig noch „bildungsferne Elternhäuser“. Entscheidend bei deutschen Kinder sei außerdem die soziale Situation, der Verfall der Kommunikation und der Medienkonsum.

Die aktuelle Sprachstandserhebung hat einen längeren Vorlauf. Schon 1999 ließ Wedding seine Erstklässler untersuchen. Das Ergebnis war ebenso alarmierend wie aufschlussreich. Es zeigte, dass sich der soziale Verfall in den City-Bereichen auch darin offenbart, dass sogar viele deutsche Kinder ihre Muttersprache nur auf niedrigem Niveau beherrschen. Das Material für den Test wurde von den Weddinger Lehrern und Psychologen weiterentwickelt und unter dem n „Bärenstark“ jetzt erstmals über die Bezirksgrenzen hinaus angewandt. Böger kündigte an, dass die Untersuchung vom kommenden Schuljahr an flächendeckend in allen Bezirken vorgenommen werden soll.

Unterdessen gibt es Schulleiter, die nicht mehr auf die Reform der Erzieherausbildung warten wollen. Katrin Babbe von der Erika-Mann-Grundschule in Wedding hat jetzt beantragt, die Kinder schon mit vier Jahren an ihre Schule zu holen. Sie will eine zweijährige Vorklasse einrichten, damit die Kinder besser Deutsch und andere Fertigkeiten lernen. Staatssekretär Thomas Härtel (SPD) sagte auf Anfrage, der Antrag werde „geprüft“.

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