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Charite-Hochhaus

© dpa

Vorwürfe gegen die Charité: Heilen und forschen - Hand in Hand

Das Uni-Klinikum Charité und die private Helios-Klinik kooperieren in bestimmten Bereichen. Kritiker sehen darin eine unzulässige Subventionierung der privaten Konkurrenz. Es geht um Steuergelder, von denen die Privaten profitierten.

Viele Männer leiden unter Prostata-Beschwerden. Vor allem bei älteren Patienten über 50 Jahren besteht die Gefahr einer Krebserkrankung. Kein Wunder, dass die Mediziner nach neuen Behandlungsmethoden forschen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert in dem Sonderforschungsbereich „Hyperthermie“ neue Wege in der Krebsbehandlung. In diesem Rahmen hat die Charité für 6,8 Millionen Euro ein Gerät angeschafft, das zunächst die Krebszellen erhitzt, um sie anschließend leichter und wirksamer durch Bestrahlung zu vernichten.

Diese neue Behandlungsmethode erprobt die Charité am Standort Buch im Bereich der privat betriebenen Helios-Klinik. Die neue Behandlungsmethode ist von den Krankenkassen noch nicht anerkannt und fällt daher nicht unter die Abrechnung über Fallpauschalen. Die Charité zahlt dafür aus ihrem Etat für Forschung und Lehre. Die private Helios-Klinik stellt die Räume zur Verfügung und kann damit werben, dass sie eine so fortschrittliche Behandlung von Prostata-Erkrankungen anbietet.

Diese Form der Kooperation zwischen staatlich finanziertem Universitätsklinikum und Privatkliniken gibt es auch anderswo in Deutschland, in Sachsen zum Beispiel mit den Rhön-Kliniken. In Hessen bauen die Rhön-Kliniken die Universitätsmedizin in Marburg und Gießen auf den modernsten Standard aus. Der Wissenschaftsrat als das einflussreichste Beratungsgremium von Bund und Ländern hat seinen Segen dazu gegeben.

In Berlin ist die Kooperation der Charité mit der privat betriebenen Helios-Klinik in Berlin-Buch ins Gerede gekommen. Abgeordnete der FDP und der Grünen werfen der Charité Zweckentfremdung des Staatszuschusses für Forschung und Lehre vor. Ein Betrag in Höhe von 15 bis 25 Millionen Euro sei seit dem Jahr 2001 den Helios-Kliniken zugute gekommen. Es handele sich dabei um eine Quersubventionierung der Charité, weil Mitarbeiter der Charité in Buch für die Krankenversorgung eingesetzt worden seien. Für die Krankenversorgung müsse jedoch Helios zahlen. Am Mittwoch müssen sich Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner und der Charité-Vorstand im Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses rechtfertigen.

In einem Gespräch mit dem Tagesspiegel äußern sich der Vorstandsvorsitzende der Charité, Detlef Ganten, der Dekan Martin Paul und der Forschungsdekan Robert Nitsch zu den Vorwürfen. Sie sagen: „Tatsächlich haben und werden Ärzte, Pflegekräfte und technische Mitarbeiter der Charité innerhalb des Bucher Klinikums von Helios Krankenversorgung betreiben müssen, sonst gibt es keine klinische Forschung, die Deutschland aber braucht.“ Aber der Charité-Vorstand legt Wert auf die Feststellung, dass diese Mitarbeiter – im Jahr 2007 handelt es sich um 72 Personen, darunter vier Professoren – im klinischen Forschungsauftrag der Charité tätig sind. „Helios verdient daran gar nichts.“

Finanzielle Unschärfen seien bei dieser Kooperation „unvermeidlich“. Am selben Patienten mache ein Arzt einmal Regel- oder Maximalversorgung in der Krankenbehandlung und danach „universitäre Hochleistungsmedizin im Rahmen von klinischer Forschung“. Solche Unschärfen seien auch für die Situation in der Charité selbst kennzeichnend.

Aber es gibt einen Kooperationsvertrag zwischen der Humboldt-Universität (Charité) und der Helios GmbH. Er besagt, dass die Tätigkeiten je nach ihrem Anteil in Forschung, Lehre und der Krankenversorgung in Einzelvereinbarungen festgelegt werden. Ohne Einzelvereinbarung gilt die Regel, dass bei den Kosten der Anteil der Forschung auf 20 Prozent und der für die Krankenversorgung auf 80 Prozent geschätzt wird. Forschungsdekan Nitsch stellt nicht in Abrede, dass auf der Grundlage solcher Berechnungen seit 2001 insgesamt 30 Millionen Euro von der Charité nach Buch geflossen sein können. Aber im Wesentlichen für „die experimentelle klinische Forschung, für die die Krankenkassen nicht zahlen“. Die Charité hat in den Verhandlungen mit Helios im Jahr 2007 deutlich gemacht, dass sie für die zurückliegenden Jahre „keine gegenseitigen Verrechnungen mehr vornehmen“ wolle. Über Beträge in Höhe von rund einer Million Euro für die Jahre 2006/2007 wird zurzeit verhandelt.

Zu der Kooperation mit Helios war es gekommen, weil in Buch die medizinischen Forschungsinstitute der DDR-Akademie konzentriert waren, aus denen später das Max-Delbrück-Centrum (MDC) für molekulare Medizin entstand. Die beiden Bucher Kliniken Robert Rössle und Franz Volhard gingen zunächst in die Trägerschaft der Charité über. Weil der Berliner Senat die Aufwendungen für die Hochschulmedizin gekürzt hatte, wurden diese Kliniken an Helios verkauft.

Die Dekane Paul und Nitsch bezeichnen die Forschung am Standort Buch als Glanzpunkt. Zwei Sonderforschungsbereiche haben Charité-Mediziner dort eingeworben, die der Charité mit einer Laufzeit von vier Jahren Millionen einbringen werden. Bei dem einen Sonderforschungsbereich geht es um Tumorforschung, insbesondere um die Leukämie. Beim anderen Sonderforschungsbereich werden Entzündungen im Gehirn und die Ursachen von Multipler Sklerose erforscht.

In Nachbarschaft zum Klinikum Buch entsteht jetzt ein Forschungshaus der Charité, für das Bund und Länder 15, 4 Millionen Euro aufwenden. Der Wissenschaftsrat hat diesen Forschungsbau befürwortet. Die Helmholtz-Gemeinschaft stellt für die Ausstattung weitere 15 Millionen Euro zur Verfügung. Ziel ist es, durch die unmittelbare Nähe zum privaten Helios-Klinikum die Ergebnisse der experimentellen Medizinforschung möglichst schnell im Krankenhaus zu erproben. Damit bleiben die Probleme der Verrechnung auf der Tagesordnung.

Uwe Schlicht

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