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Berlin: Wache Nachbarn

In Frohnau kümmern sich die Anwohner einer Initiative umeinander – nicht nur zur Ferienzeit

Das erlebt man selten. Da bleibt das Auto vor einem stehen, der Fahrer steigt aus und klopft freundlich ans Seitenfenster: „Passen Sie auf, da vorn im Wald wird geblitzt.“ So merken auch Fremde schnell: In Frohnau wird Nachbarschaftshilfe groß geschrieben.

Was durch den zweiten Blick nur noch bestätigt wird. „Hier wachen Nachbarn“, steht auf den weißroten Aufklebern, die an vielen Briefkästen und Gartenzäunen zwischen Stolper Heide und West-Frohnau kleben. Entworfen hat den Aufkleber ein Künstler aus dem Speerweg, hier engagieren sich etliche Frohnauer in der gleichnamigen Nachbarschaftsinitiative. Gerade jetzt, während der Ferienzeit, kümmern sich Anwohner gegenseitig um ihre Grundstücke, sie mähen den Rasen nebenan, leeren die Mülltonnen – damit es immer so aussieht, als sei jemand zu Hause.

„Unsere Nachbarschaftsinitiative begann vor zehn Jahren“, sagt Christine Rackuff, eine der Begründerinnen von „Hier wachen Nachbarn“. Frau Rackuff und ihr Mann Bodo Wysocki waren damals an einem dunklen Januarabend nach Hause gekommen – und standen vor ausgeräumten Schränken. „Schwerwiegender als der materielle Verlust ist der Schreck und das ungute Gefühl, dass ein Fremder in seinen intimsten Wohnbereich eingedrungen ist“, sagt Christine Rackuff, „das wird man nicht so schnell los.“

Erste engere Kontakte zur Nachbarschaft ergaben sich über ein Straßenfest. Rackuff hängte Zettel aus, und schnell fanden sich Gleichgesinnte jeglichen Alters, die Telefon- und Faxnummern austauschten. „Ganz wichtig war uns aber, deutlich zu machen, dass wir nicht mit dem Fernrohr hinter den Gardinen lauern und uns gegenseitig auf die Pelle rücken“, sagt Rackuff. Seitdem trifft sich ein gutes Dutzend Familien aus der Nachbarschaft drei bis vier Mal im Jahr, jeder bringt was zu essen mit und dann werden Urlaubspläne ausgetauscht. „Im Grunde beleben wir dieses dörfliche Gefüge wieder, das in Berlin in den großen Mietshäusern vielerorts verloren gegangen ist“, sagt Christine Rackuff. Zuweilen laden die Frohnauer zu den Treffen auch Referenten unterschiedlicher Fachrichtungen dazu: Da kam ein Mal beispielsweise der Pilot eines Rettungshubschraubers, der von seinem Berufsalltag berichtete, oder ein Jurist, der Informationen zum Thema Patientenverfügungen weiter gab. Und es war natürlich auch schon ein Präventionsfachmann der Kripo zu Gast in Frohnau. Hier sind die Anwohner inzwischen schon selbst zu Experten geworden: Viele Mieter und Hauseigentümer haben in die Fenster Sicherheitsglas eingebaut, sie können Tipps zu Alarmanlagen geben und dazu, wie man Einbrechern das Leben noch schwerer machen kann (siehe Kasten).

Nun sei es nicht so, sagt auch Hilde Meuser aus der Nachbarschaftsinitiative, dass es bei den Frohnauern so viel zu holen gebe. Aber das Gefühl, einander zu kennen und sich aufeinander verlassen zu können, tue einfach gut. So geht auch Bodo Wysocki gern ein paar Runden ums Haus seiner Nachbarin, wenn diese mal verreist ist, schaltet das Licht an und aus, oder tappt im Winter ein paar Spuren in den Schnee. Etliche Berliner haben sich schon bei der Nachbarschaftsinitiative erkundigt und ähnliche Projekte begründet. Aus gutem Grund: In der Stadt gab es allein im vergangenen Jahr 6061 Einbrüche in Wohnungen und Einfamilienhäuser, 10 577 Mal wurde die Polizei nach Kellereinbrüchen gerufen.

Für die Kunst hatten die Diebe bei Christine Rackuff damals offenbar kein Auge. Ihr Bild zum Thema Reichtum und Wohlstand, sagt die lächelnd, blieb vor zehn Jahren jedenfalls hängen. Es ist eine Collage aus Dutzenden Geldscheinen.

Annette Kögel

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