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Berlin: Wachwechsel in Moabit

Der Hamburger Andreas Behm wird Nachfolger des umstrittenen Generalstaatsanwalts Hansjürgen Karge

Hut, Mantel, Aktentasche – zuweilen sieht man ihn noch schweigend durch die Flure in Moabit ziehen. Wer jedoch versucht, an der Vorzimmerdame im dritten Stock vorbeizukommen, wird enttäuscht. „Herr Generalstaatsanwalt Dr. Karge lässt ausrichten, dass er für Interviews nicht zur Verfügung steht“, heißt es freundlich, aber knapp. Dabei geht am Berliner Landgericht so etwas wie eine Ära zu Ende: Wenn Hansjürgen Karge Ende Mai in den Ruhestand geht, wird es in Moabit keinen vom Parlament gewählten „General“ mehr geben.

Der Justiz steht ein kühler Abschied ins Haus, wenn nicht sogar ein stiller Abgang. Karge hat noch Urlaub übrig und niemand weiß, ob der umstrittene „General“ plant, zum üblichen Festakt auch zu erscheinen. Eine Feier wird es trotzdem geben, zum Amtsantritt von Andreas Behm: Der 47-jährige Hamburger soll Chef-Ankläger in Moabit werden – allerdings nicht als General, sondern nur noch in der Position eines leitenden Oberstaatsanwalts. Dass er seinen Job ausgerechnet zum Großereignis Fußball-WM antreten muss, nimmt der Staatsanwalt gelassen. „Das wird alles vorbereitet sein“, sagt Behm.

Noch sitzt der Mann mit der runden Brille und den kurzen, blonden Haaren in seinem Hamburger Büro. Seit Juni 2003 leitet Behm hier „Santa Fu“, die Haftanstalt Fuhlsbüttel mit rund 1000 Gefangenen. Was Behm an seinem alten Job mochte: „Ich konnte meine Ideen durchbekommen.“ Was er nicht mochte: „Man steht ganz schnell im Fokus der Öffentlichkeit – und dann fast immer in einem negativen Zusammenhang.“

Wie beispielsweise im Dezember 2003, als es in „Santa Fu“ zur Revolte kam. Rund 250 Gefangene probten über mehrere Tage den Aufstand, randalierten in ihren Zellen und widersetzten sich den Wachleuten. Nachdem Behm das Gefängnis in einzelne Stationen mit höchstens 30 Häftlingen aufgeteilt hatte, kehrte in der JVA Fuhlsbüttel auch langfristig Ruhe ein.

Seinen Hamburger Schreibtisch wird Behm voraussichtlich am Mittwoch räumen. Behm, der Berlin bislang „nur wenig“ kennt, hat sich eine Wohnung in Charlottenburg gemietet. Seine Frau, ebenfalls Juristin, will endgültig nachkommen, sobald sie hier einen neuen Job gefunden hat. Das gemeinsame Segelboot bleibt vorerst in Kiel vor Anker. „Da wir regelmäßig auf dem Schiff Sommerurlaube verbringen, wäre der Wannsee zu klein“, sagt Behm.

Es heißt, dass es für den Chefposten in Moabit nicht gerade viele Bewerber gegeben habe. Die Anforderungen sind hoch, das Gehalt vergleichsweise niedrig. Behm hat das Rennen mit einem Lebenslauf gemacht, der sich stark verkürzt so liest: In der Nähe von Kiel geboren, Studium der Rechtswissenschaft, ab 1991 in Hamburg als Richter und Staatsanwalt tätig, 1995 Wechsel in die Justizbehörde. Behm ist parteilos, er gilt als gradlinig, loyal und kommunikativ. Was er sich für seinen neuen Job erhofft? „Freie Hand und Rückhalt als Leiter der Staatsanwaltschaft.“

Seinem Vorgänger, Hansjürgen Karge, fehlte zuletzt beides. Der „General“ hatte im Laufe der Jahre überall Feinde gesammelt: in der Justiz, im Senat, in der Staatsanwaltschaft. Es heißt, die Ermittlungen zur Bankaffäre hätten Karge und die Justizsenatorin Karin Schubert (SPD) endgültig entzweit. Doch auch Schuberts Vorgänger hatten mit Karge ihre Not, da der Jurist schon kurz nach Amtsantritt 1995 mit strammen Sprüchen und „seiner Gutsherrenart“ auffiel. 1997 zum Beispiel erklärte Karge: „Objektive Regelverstöße müssen zu Sanktionen führen. Das ist überall so, von den primitiven Buschnegern bis zu den Tieren.“

Im August 2002 glaubte Justizsenatorin Schubert, den missliebigen Juristen endlich los zu sein, nachdem die Mehrheit im Abgeordnetenhaus den General abgewählt hatte. Doch Karge klagte dagegen und bekam vor dem Berliner Verwaltungsgericht Recht und damit im Winter 2002 seinen Posten zurück – auch wenn er nun weitgehend kalt gestellt war. „Es geht ums Prinzip! Ich will selbst entscheiden, wann ich aufhöre“, sagte Karge. Jetzt hat sein Alter endgültig den Streit beendet.

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