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Wackelkandidat am Checkpoint Charlie: Gezerre um Museum des Kalten Krieges

Der Bund setzt auf ein Alliiertenmuseum im Flughafen Tempelhof, der Senat will eine ständige Ausstellung am Checkpoint Charlie. Dort eröffnen jetzt erst einmal ein Mauerpanorama und eine „Blackbox“ – als Vorgeschmack auf große Pläne.

Es wird wieder eine Mauer geben am Checkpoint Charlie, und das ist es ja, was die meisten Touristen dort erwarten. Die Mauer wird überall sein, rundherum. Bauherr ist Yadegar Asisi, der Panoramakünstler, der das antike Pergamon auf der Museumsinsel visualisierte. Jetzt hat er ein Mauerbild geschaffen, 15 Meter hoch, 100 Meter lang. Es soll ein Gefühl vermitteln, wie es war an der Mauer, vom Westen aus betrachtet. Am 22. September wird das Bild enthüllt, das Fundament für den Stahlzylinder steht schon auf der Brache an der Zimmerstraße. Der Checkpoint Charlie ist neben dem Brandenburger Tor der weltweit berühmteste Symbolort des Ost-West-Konflikts und der europäischen Teilung. Das Tor hat als Resonanzfläche den Pariser Platz, der Checkpoint blickt dagegen auf ein Chaos aus Planungs- und Nutzungsinteressen, das bereits seit zwei Jahrzehnten andauert. Das Asisi-Panorama ist eine temporäre Aktion, genau wie die Blackbox gegenüber, die ebenfalls Mitte September eröffnen soll, als Vorgeschmack auf das geplante Museum des Kalten Krieges.

Spätestens 2014 müssen beide Bauten wieder verschwinden, dann sollen – nach derzeitigem Stand – Büro- und Geschäftshäuser errichtet werden, eines von ihnen könnte das Museum des Kalten Krieges beherbergen. Vom Checkpoint selbst, wie man ihn bisher kannte, wird nicht mehr viel übrig bleiben. „Der Ort wird seiner Bedeutung nicht gerecht“, sagt Rainer Klemke, Gedenkstättenbeauftragter des Senats. Die entscheidenden Fehler seien schon Anfang der neunziger Jahre gemacht worden. Damals wurden die Grundstücke ohne viel Federlesens verkauft, Mauer, Abfertigungsgebäude und Wachturm abgerissen. Nicht mal das Café Adler hat überlebt.

Im Museum des Kalten Krieges sieht Klemke die letzte Chance, den Checkpoint vor völliger Bedeutungsverlust zu retten: „Entweder Museum oder null“. In der vorläufigen Blackbox sollen Ausschnitte aus Filmen wie Billy Wilders „Eins, zwei, drei“ und James Bond gezeigt werden, eine Weltkarte mit den Konfliktzonen des Kalten Krieges und eine interaktive Berlinkarte, die authentische Erinnerungsorte aufleuchten lässt. Am Eingang verkauft die Bundeszentrale für politische Bildung bereits Infomaterial.

Trostlose Touristenattraktion - der Checkpoint Charlie heute

Doch es gibt eine Hürde für die Senatspläne. Auch das Alliiertenmuseum in Zehlendorf will Museum des Kalten Krieges werden, wenn es auf das Tempelhofer Feld umzieht. Es gebe in den Konzepten „ganz erhebliche Schnittmengen“, sagt Museumsleiterin Gundula Bavendamm. „In unserem Depot lagert eine bedeutende Sammlung zum Kalten Krieg“, unter anderem Kriegsgerät wie Panzer und Marschflugkörper. Diese „Großgeräte“ sollen in den Hangars des Flughafengebäudes Platz finden. Der Bund unterstützt die Pläne des Alliiertenmuseums. „Für die Bundesregierung stellt dieses Museum die zentrale Einrichtung zur Geschichte des Kalten Krieges und seiner Bedeutung dar“, ließ der Staatsminister für Kultur und Medien, Bernd Neumann (CDU), über einen Sprecher mitteilen.

Eine Gedenkstätte für die Maueropfer wird gefordert. Das gab es schon mal.

Für die Berliner CDU machen zwei Museen des Kalten Krieges keinen Sinn, also lehnt sie die Senatspläne kategorisch ab. Im Hintergrund spielt auch ihre alte Verbundenheit mit dem Haus am Checkpoint Charlie eine Rolle, dem privaten Mauermuseum von Rainer Hildebrandt. Das Haus, von Berlintouristen nahezu überrannt, könnte Konkurrenz bekommen. Hildebrandts Witwe und Nachfolgerin Alexandra Hildebrandt war für eine Stellungnahme trotz mehrfacher Nachfrage nicht zu erreichen. Für die SPD ist das Haus nur ein „Kramladen“, Klemke nennt es ein „museologisches Desaster“. Konkurrenz sei nicht zu befürchten.

CDU-Generalsekretär Kai Wegner wünscht sich am Checkpoint einen „Ideenwettbewerb“. Der Ort sollte mit dem Bund gestaltet werden, wie das übrige Mauergedenken in Berlin. „Viele wünschen sich eine Gedenkstätte, auch für die Maueropfer“. So etwas gab es schon mal, mit wiederaufgebauter Mauer und vielen Holzkreuzen, errichtet von Alexandra Hildebrandt. Nach heftigen Diskussionen wurde das Mahnmal abgeräumt.

Doch viel weiter ist man heute auch nicht. Imbissbuden verstellen eine Seite der Friedrichstraße, ohne Baugenehmigung errichtet, daher zurzeit geschlossen. Die Reisebusse stehen wie immer aufgereiht an der Zimmerstraße. Am Wochenende versinkt der Ort regelmäßig im Verkehrschaos. Autos kämpfen sich durch Fußgängerströme. Zwar passieren kaum Unfälle, weil sich die Berliner auf das Chaos eingestellt haben. Aber wohin mit den Menschen, wenn die Brachen bis zum Gehwegrand bebaut sind?

Die Verkehrsverwaltung will an der Kreuzung Zimmer-/Friedrichstraße eine „Begegnungszone“ einrichten, das Modell kommt aus der Schweiz. Fußgänger haben dann grundsätzlich Vorrang. Die Autofahrer dürfen 20 km/h fahren. Die CDU lehnt auch dies ab. Eine definitive Entscheidung soll im Herbst fallen, sagte eine Sprecherin der Verkehrsverwaltung.

Unterdessen werden Fakten geschaffen. Ende des Jahres soll das „Winters Hotel“ an der Zimmerstraße fertig werden, weiter westlich ist ein „Boarding House“ geplant. Die irische Cannon-Kirk-Group, die die Checkpoint-Brachen gekauft hat, muss sich noch mit finanziellen Altlasten ihrer Vorgänger herumschlagen. Die Pläne des Investors blieben vage, auch mit dem Senat gibt es nur eine Absichtserklärung, in den unteren Etagen ein Museum des Kalten Krieges einzurichten.

Asisi, gebürtiger Kreuzberger und Mauerkenner, hat das westliche Grundstück, Friedrichstraße 205, für ein Jahr gemietet – mit Option auf weitere Jahre. Das Fundament würde noch länger tragen, sagt der umtriebige Künstler und Geschäftsmann. Vielleicht entwickeln Blackbox und Mauerpanorama ja einen Sog, der private Investoren mit sich zieht. Es gehe darum, dem Mythos des Checkpoints gerecht zu werden, sagt Asisi. Franz Schulz (Grüne), Bürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg, wünscht sich eine „kulturpolitische Debatte“, wie der Platz bespielt werden könnte. Devotionalienhändler und Soldaten-Schauspieler vor dem nachgebauten Kontrollhäuschen sollte man nicht einfach von oben herab verdammen. Sie reagierten immerhin auf eine große Nachfrage.

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