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Berlin: Wackeln im Sturm

Lucas Zellmer und Felix Krabbe sind in der 470er-Klasse erste Anwärter auf den Startplatz bei Olympia – was beim Segeln nicht viel heißen muss

Wasser und Wind sind unberechenbar. Und da beginnt das Problem. Segeln ist kein Hundertmeterlauf. Die äußeren Umstände können eine undankbare Rolle in der Sportart spielen. Darauf verweisen die Profis unter den Seglern so häufig, wie das Signalhorn zum Start bläst. „In der Leichtathletik kennst du deine Leistung, und es liegt an dir, ob du sie bringst“, sagt Felix Krabbe, 470er-Segler vom Tegeler Segel-Club. „Im Segeln machen dir Wind und Wetter oft einen Strich durch die Rechnung.“

Vom Winde verweht wurden Krabbe und sein Steuermann Lucas Zellmer vom Spandauer Yacht-Club allerdings eher selten. Seit mehreren Jahren zählen sie in der olympischen Bootsklasse der 470er zur Weltspitze, innerhalb Deutschlands sind sie sogar die klare Nummer eins bei den 470ern. „Eine wirkliche Konkurrenz haben wir hier zurzeit nicht“, sagt Krabbe. Dennoch verlief ihre Saison in diesem Jahr alles andere als rosig. Schon bei der Kieler Woche Ende Juni bewiesen sie sich als Pechvögel: Einen Tag, bevor die größte Regatta der Welt begann, verletzte sich Krabbe beim Segeln und zog sich einen Muskelfaserriss und innere Blutungen am rechten Fuß zu. „Das wird schon wieder“, beruhigte der 25-Jährige die besorgten Gemüter im Deutschen Segler-Verband (DSV).

Und er sollte zunächst Recht behalten: Mit Radfahren, Wassertreten und Physiotherapie baute sich Krabbe wieder auf. Dass Zellmer und er aber bei ihrer ersten Regatta nach der Verletzung, der Europameisterschaft im französischen Brest Mitte Juli, gleich die Silbermedaille gewinnen würden, damit hatte niemand gerechnet. „Das war wirklich eine Riesenüberraschung“, sagt DSV-Sportdirektor Hans Sendes.

Mit diesem Erfolg stiegen aber auch die Erwartungen an die beiden. Prompt verliefen die griechischen Meisterschaften und die Pre-Olympics in Athen im August mit einem 4. und einem 8. Platz nur noch mäßig. Und bei den Segel-Weltmeisterschaften im südspanischen Cádiz „lief dann gar nichts mehr zusammen“, wie Krabbe zugibt. Rang 42 hieß es am Ende, Sendes war fassungslos: „Die sind bei der EM allen souverän davongefahren, und in Cádiz segelten sie gegen die gleiche Konkurrenz so klar hinterher.“

Immerhin gelang es ihnen am letzten Regattatag, das vom DSV vorgegebene Ziel zu erreichen: Deutschland in der 470er-Klasse der Männer für die Olympischen Spiele in Athen zu qualifizieren und somit einem deutschen 470er-Boot den Start zu ermöglichen. „Die Nationenqualifikation macht zwar einiges wett“, sagte Sendes nach der WM. Dennoch fehle es Zellmer und Krabbe an Kontinuität und Zusammenhalt. „Wenn’s läuft, dann läuft’s. Aber die raufen sich nicht zusammen, wenn es mal schwierig wird.“

Krabbe überhört das lieber, sagt diplomatisch, dass Zellmer und er „vom Typ her unterschiedlich“ seien, aber: „Beim Segeln war das nie ein Problem.“ Und immerhin segeln sie mittlerweile seit sechs Jahren zusammen. Beinahe wären sie auch schon bei den Olympischen Spielen in Sydney gestartet. Aber kurz davor wurde doch ein anderes deutsches Team nominiert. „Damals haben wir nicht wirklich mit unserer Teilnahme gerechnet“, sagt Zellmer. „Jetzt aber gehen wir fest davon aus, dass wir in Athen starten werden.“ Dafür hat Krabbe sein Bauingenieur-Studium erst einmal auf ein Minimum reduziert. Zellmer ist seit fünf Jahren in der Potsdamer Sportfördergruppe. „Mein Unterhalt ist gesichert, ich kann mich voll aufs Segeln konzentrieren“, sagt der 26-Jährige. So will er auch nach Athen auf jeden Fall weitersegeln. Mit wem, das werde sich zeigen. „Felix will irgendwann auch mal Geld verdienen“, sagt er. „Vom Segeln kann man eben nicht leben.“

Ihr WM-Ergebnis sehen beide nicht so tragisch. Es habe danach einige Gespräche gegeben, sagt Krabbe. „Wir haben die WM wahrscheinlich nicht wichtig genug genommen.“

Die internationale deutsche Meisterschaft in Flensburg am Wochenende war in dieser Saison die letzte Chance, „die Dinge wieder ein wenig gerade zu rücken“, wie Krabbe sagt. Nach sechs Wettfahrten segelten Zellmer und er auf den zweiten Platz. „Wir hätten natürlich lieber gewonnen“, sagen beide. Wichtiger aber sei, dass sie die Kriterien für Olympia in dieser Saison erfüllt haben und der DSV gestern in Flensburg ihren Olympiakader-Status bestätigt hat. „Jetzt müssen wir uns nur bei den Frühjahrsregatten noch mal empfehlen“, sagt Zellmer. „Aber das werden wir schon schaffen.“

Ob Einstellung, Wind und Wetter mitspielen, wird sich zeigen. Segeln ist eben kein Hundertmeterlauf.

Jutta Meier

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