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Die CDU will sich künftig in Sachen Großstadtpolitik mehr an den Grünen orientieren.

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Wählerschwund in Großstädten: Die CDU will grüner und sozialer werden

In Großstädten hat es die CDU immer schwerer. Die Linie passt nicht mehr zu den Bedürfnissen und Wertevorstellungen Städter. Jetzt will die CDU ökologischer und sozialer werden. Inspiration bietet der ehemalige New Yorker Bürgermeister Rudolph Giuliani.

Von Sabine Beikler

Das Problem der CDU ist kein kleines: Es heißt Großstadt. Dort laufen den Christdemokraten die Wähler weg. Der Großstadtbeauftragte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und Berliner Bundestagsabgeordnete Kai Wegner will das nicht einfach so hinnehmen. In einem Strategiepapier, das dem Tagesspiegel vorliegt, fordert er eine größere Öffnung seiner Partei hinsichtlich der Themen soziale Gerechtigkeit, Mobilität und Ökologie, innerstädtisches Wohnen oder Vereinbarkeit von Familie und Beruf. „In großen Städten wird die Union in programmatischer Hinsicht nicht mehr mehrheitsfähig mit CDU pur, sondern mit CDU plus“, sagt Wegner. Die CDU müsse sich als „Kiezpartei“ aufstellen, die sich vor Ort „um die alltäglichen kleinen und großen Probleme der Menschen kümmert“.

In den Großstädten leben die Postmaterialisten

Dass die CDU in Großstädten immer weniger Wähler binden kann, liege vor allem an den neu entstandenen Milieus, „die durch postmaterielle Wertevorstellungen und durch die primäre Orientierung an ,weichen‘ Themen wie Kultur, Lebensqualität und dergleichen mehr gekennzeichnet sind“, analysiert Wegner in seinem Papier, das in den Landesverbänden diskutiert werden soll. Zu diesen Milieus gehört das Gros der Grünen-Klientel. Viele Anhänger von Bündnis 90/Die Grünen gehören zu den Postmaterialisten, denen Werte wie soziale Gerechtigkeit, Frieden, Nachhaltigkeit und Generationengerechtigkeit wichtig sind. Grüne Wähler in der Stadt legen Wert auf Lebensqualität, auf Ökologie sowie Umwelt- und Klimaschutz.

Kai Wegner (CDU) fordert eine Neuausrichtung seiner Partei in Großstädten.
Kai Wegner (CDU) fordert eine Neuausrichtung seiner Partei in Großstädten.

© dpa

Einerseits will die CDU durch eine programmatische Neuausrichtung um grüne Wähler in den Städten kämpfen. Andererseits bietet eine schwarz-grüne Programmatik auch gemeinsame Perspektiven. Als „soziale und liberale Großstadtpartei“ und „politische Kraft der Mitte“ habe die CDU den Anspruch, mit allen demokratischen Parteien koalitionsfähig zu sein, heißt es in dem Papier.

In Berlin läuft es für die CDU laut Umfragen noch vergleichsweise gut. Seit einem Jahr liegt die Partei meist vorn oder wie im Januar mit 25 Prozent nur knapp hinter der SPD (26 Prozent). Die Grünen kommen auf 18, die Linke auf 15 und die Piraten auf vier Prozent. „Die CDU Berlin ist eine Metropolenpartei mit Hauptstadtformat“, sagt Wegner selbstbewusst. Deshalb will er eine sogenannte „Metropolen-Strategie“ umsetzen. Diese soll sich vielen Themenfeldern, vor allem auch sozialer Natur, widmen.

Ökologisches und Soziales muss stärker in den Vordergrund

In großen Städten konzentrierten sich die sozialen Probleme „wie in einem Brennglas“, heißt es etwa in dem Papier. Deshalb müssten die Mittel für die Städtebauförderung erhöht werden. Der Bund dürfe die Städte nicht alleinlassen. Gerade in großen Städten gewinnt auch bürgerschaftliches Engagement weiter an Bedeutung. Wegner fordert die CDU in dem Papier auf, ehrenamtliche Projekte stärker zu unterstützen.

Angesichts steigender Mieten werden immer mehr Menschen mit niedrigem Einkommen aus den Innenstädten verdrängt, wie der Senat erst jüngst wieder offiziell feststellen musste. Deshalb müsse ein „ausgewogenes Wohnungsangebot auch für Mieter mit geringen oder mittleren Einkommen“ sichergestellt werden, fordert Wegner. In der Bildungspolitik plädiert er für eine größere Durchlässigkeit des Schulsystems und ausreichend Plätze in allen Schulformen. Eltern sollten überdies wählen können, ob sie ihre Kinder zu Hause erziehen oder in Kitas betreuen lassen, um Familie und Beruf miteinander zu verbinden.

Projekt "Berlinvision 21"

Die Vision des Berliner Politikers ist das New York unter Bürgermeister Rudolph Giuliani. Giuliani, der New York von 1994 bis 2001 regierte, habe es verstanden, gesellschaftliche Liberalität mit einer Nulltoleranzstrategie zu verbinden. Für christdemokratische Politik bedeute dies, schreibt Wegner, sich „offensiv zur gesellschaftlichen Vielfalt“ zu bekennen und andererseits aber „klare Kante bei Ordnung und Sicherheit“ zu zeigen.

Die CDU müsse auch den Dialog mit den Bürgern fördern, fordert Wegner. Das versucht der Landesverband Berlin durchaus. Im Januar stellte die Union das Projekt „Berlinvision 21“ vor. 15 Monate lang soll eine Art Dialoglawine die Bürger erfassen. Das Projekt ist in drei Phasen unterteilt: „Fragen, Reden, Antworten“. Fragen können Bürger auf Facebook oder Twitter. Reden sollen sie auf Bürgerkonferenzen in allen Bezirken können. Und am Ende gibt die CDU Antworten, die in ein Programm einfließen sollen, das auf einem Landesparteitag Mitte 2015 beschlossen werden soll. Jetzt müssen nur noch die Wähler da mitmachen.

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