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Berlin: Wärmeinsel, Kälteloch: Ein Besuch in Eiskeller

Jahresrekord: An Berlins heißestem Ort wurden 34 Grad gemessen

Hat Zirowito einen Hitzschlag? Oder ist er optimal akklimatisiert? Oder welche Erklärung könnte es noch dafür geben, dass der dunkelbraune Wallach bei sengender Hitze ungeschützt im Staub der Koppel liegt? Zirowito lebt an einem der derzeit heißesten Orte im Berliner Stadtgebiet, in Eiskeller bei Spandau. Die Tochter von Volkmar Necke kümmert sich um das Pferd. Und um die Wetterstation, die in seinem Garten steht und im Sommer regelmäßig Hitzerekorde für die Region Berlin/Brandenburg meldet. 34,0 Grad zeigte es gestern. Das ist Rekord für dieses Jahr und nahe an der Höchsttemperatur des vergangenen Jahres: 34,7 Grad, gemessen ebenfalls in Eiskeller.

Warum, das weiß Meteorologe Thomas Globig von Jörg Kachelmanns Wetterdienst Meteomedia, der die Messstation betreibt. Das Gebiet um Eiskeller sei „steppenartig“, mit vielen Feldern und Wiesen als „Heizflächen“, die die Wärme schnell aufnehmen. Höhenunterschiede, sonst ein wichtiger Faktor für das Klima, spielten in der flachen Region kaum eine Rolle. Die Sonne heizt dafür um so besser, knallt direkt aufs Messgerät. Besonders krass sind die Temperaturen bei „Strahlungswetter“, wenn der Himmel wolkenlos ist und wenig Wind weht. Das tut er sowieso mur selten in dem etwa 50 Hektar großen Gebiet, das von Bäumen umstellt ist. „Die Luft wird kaum durchgequirlt, so dass kühle Luftmassen nicht so gut eindringen.“ Also ein denkbar ungünstiger Ort, um eine Messstation aufzustellen, die einigermaßen repräsentative Ergebnisse für die Stadt Berlin liefern soll? „Die Daten sind typisch für die klassischen SchrebergärtenGegenden.“

Wahres „Heizwetter“ lag gestern über vielen Gegenden in und um Berlin. „Mikroklima“ nennen die Meteorologen die kleinen Regionen, in denen lokale Faktoren das Klima entscheidend beeinflussen. Die Ergebnisse, die zur selben Zeit am Alexanderplatz gemessen werden, liegen daher deutlich unter denen in Eiskeller.

Nachts ist es meistens umgekehrt. „Da wird Eiskeller von der Wärmeinsel zum Kälteloch.“ So schnell sich der Boden tagsüber erhitzt, so schnell kühlt er nachts wieder aus – kein Beton, der die Hitze speichert, wie etwa am Alexanderplatz.

Viele Leute hält es nicht in Eiskeller, erzählt Volkmar Necke, der 1965 hierher gezogen ist. „Jetzt wohnen noch drei Familien hier, früher waren es ungefähr sieben.“ Er sitzt mit seiner Familie um den Terrassentisch, es gibt Kaffee und Kuchen, und Necke erzähltm wie es zu dem unpassenden Namen für einen so heißen Ort kam: Den hat Eiskeller von einer Brauerei, deren Arbeiter im Winter Eis aus dem nahe gelegenen Falkenhagener See sägen mussten und es – mit Sägespänen vor der Hitze geschützt – in Kellern lagerten, damit es auch im Sommer kaltes Bier gab. Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts sei das so gewesen, erzählt der 67-Jährige. Vor der Wende war Eiskeller weitgehend von DDR-Gebiet eingeschlossen, sah auf dem Stadtplan wie eine Hakennase aus, die erst 1988 per Gebietsaustausch begradigt wurde. Vorher führte nur ein schmaler Korridor zu der kleinen Siedlung, wo die West-Berliner am Wochenende gerne spazieren gingen. Außer den Schrebergärtnern scheinen es jetzt nur Pferde hier in der Hitze aushalten zu können. Und die Neckes. Im Schatten. AU

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