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Berlin: Wäschewaschen verboten

Berlinund seinemerkwürdigen Gebräuchezwischen Weihnachten undSilvester

Glaubt man den Historikern, dann ging es im alten Berlin „zwischen den Jahren“ recht seltsam zu: Mit Pfeifen, Rasseln, Läuten, Peitschenknall oder Feuerwerk wurde das alte Jahr verabschiedet und das neue begrüßt. Wer es sich leisten konnte, verbrannte in der Silvesternacht alte Kleider in der Annahme, damit auch mögliches Unrecht oder böse Erlebnisse ungeschehen zu machen und einen neuen Anfang zu wagen. Auf keinen Fall durfte schmutzige Wäsche liegen bleiben, weil das angeblich Unglück bringt. Auf der anderen Seite verfestigte sich der Glaube, dass Wäschewaschen zwischen den Jahren ein böses Omen ist. Wie man das Ding auch dreht und wendet – für alles gibt es eine Begründung und alles ist irgendwie austauschbar.

In den Tagen zwischen Weihnachten und Neujahr war man gut beraten, so der Volksglaube, alten Frauen und schwarzen Katzen tunlichst nicht zu begegnen, weil sie angeblich Unglück bringen. Die Berliner gingen in der Nacht vom letzten auf den ersten Tag gern auch mit viel Geld in der Tasche umher in der Hoffnung, die „dicke Marie“ werde sich im neuen Jahr auf geheimnisvolle Weise vermehren. In dieser Erwartung wusch man sich auch in einer Schüssel mit einigen Münzen darin. Aufgehoben wurden (und werden bis heute) die silbrig glänzenden Schuppen des Silvesterkarpfens, denen man die Kraft der Geldvermehrung andichtete.

Überhaupt verhielt man sich so, wie man die künftigen 365 Tage erleben wollte. Man vermied Gefahr und unangenehme Arbeit, wechselte alte gegen neue Kleider, verschenkte Geld, die so genannten Neujahrstaler, oder ließ sich welches überreichen und gab sich freigiebig in der Erwartung, diese Großzügigkeit werde sich schon bald wieder auszahlen. Da man die Zukunft nicht kennt, half man mit Bleigießen und Wahrsagerei nach.

Viele alte Neujahrsbräuche sind vergessen, doch es gibt auch neue Traditionen wie den Neujahrslauf, der am 1. Januar 1972 im damaligen Ost-Berlin eingeführt wurde. Mittlerweile ist er ein Gesamtberliner Spektakel geworden – wie das Neujahrsbaden im eiskalten Orankesee: am 1.1. um 11 Uhr ist es wieder so weit.

Helmut Caspar

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