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© dpa

Waffen in der Schule: Abrüstung im Klassenzimmer

Die Polizei will in den Schulen verbotene Waffen einsammeln, Lehrer lehnen das vielfach als unpraktikabel ab – Ein Pro & Contra. Was meinen Sie?

Unter dem Motto „Waffenfreie Schule“ will die Polizei am 1. Dezember an Berliner Schulen Waffen einsammeln. Eine entsprechende Rundmail wurde von Bildungsstaatssekretärin Claudia Zinke an alle Direktoren der Stadt verschickt. Der Anreiz soll sein, dass den Schülern keine Sanktionen wegen des Besitzes drohen. Wie viele Schulen sich bislang für die Aktion angemeldet haben, ist laut Polizei nicht bekannt.

Bei Lehrern stößt die Idee auf breite Ablehnung. Als „völlig lächerlich“ bezeichnete der Pressesprecher der Lehrergewerkschaft GEW Berlin, Peter Sinram, den geplanten Aktionstag. Es gebe seit Jahren eine intensive und erfolgreiche Zusammenarbeit mit den Polizeidienststellen. Wenn Lehrkräfte bei Schülern eine Waffe finden, werde sofort die Schulleitung informiert und falls nötig die Polizei eingeschaltet.

Die Vorstellung einer Waffensammlung im Lehrerzimmer sei absurd. Ebenso könnten die Lehrkräfte unmöglich ihre Schüler auffordern, am 1. Dezember verbotene Waffen mit in die Schule zu bringen, um sie der Polizei zu übergeben. Die Idee erinnere Sinram an den Wilden Westen. „So nach dem Motto: Kurz vor Weihnachten hängt bitte jeder seinen Colt an den Zaun.“ Es sei nicht zu erwarten, dass Schüler, die sich tatsächlich eine Waffe beschafft haben, diese nach der Aufforderung abgeben würden.

Als Konsequenz auf den Amoklauf im März an einer Schule im baden-württembergischen Winnenden hat die Polizei sich das Ziel gesetzt, so viele Waffen wie möglich einzusammeln und zu vernichten. Bis zum 31. Dezember können bei Polizeiwachen und über einen kostenlosen Abholservice straffrei legale und illegale Waffen abgegeben werden. Dazu gehören Schusswaffen, aber auch verbotene Totschläger, Messer und Schlagringe. Die Amnestie erstreckt sich allerdings nicht auf Straftaten, die damit eventuell begangen wurden. Seit Jahresbeginn gaben die Berliner schon 282 Schusswaffen, vier Messer, einen Totschläger und 202 Schuss Munition bei der Polizei ab.

Es ist nicht die erste Aktion dieser Art. Bereits im Jahr 2003 forderte die Polizei dazu auf, verbotene Waffen abzugeben - mit mäßigem Erfolg. Damals wurden nur 42 verbotene Stichwaffen wie Butterfly-, Spring- und Faustmesser sowie vier Schusswaffen abgegeben. Im Jahr 2008 wurde gegen 718 Personen unter 18 ein Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz eingeleitet. Im Jahr 2007 waren es noch 100 weniger.

Seit Ende Juli ist ein neues Waffengesetz in Kraft. Danach müssen Waffenbesitzer einen Nachweis für die sichere Aufbewahrung ihrer Waffen erbringen. Verstöße gegen die Aufbewahrungsvorschriften gelten jetzt als Straftat und nicht mehr als Ordnungswidrigkeit. Jugendliche dürfen auch unter Aufsicht keine großkalibrigen Waffen mehr benutzen. Wer eine Erlaubnis für mehr als drei Gewehre oder Pistolen beantragt, muss nachweisen, dass er regelmäßig mit allen vorhandenen Waffen bei Wettkämpfen antritt. Bis Ende 2012 soll zudem ein bundesweites, computergestütztes Waffenregister eingeführt werden. Darin sollen die Adressen der Besitzer und der Lieferanten zentral gespeichert werden. 55 522 erlaubnispflichtige Schusswaffen sind derzeit in Berlin registriert.

Sollen Waffen an den Schulen eingesammelt werden?

PRO
Sicher, etwas kühn scheint der Vorschlag zu sein: Am 1. Dezember kommt die Polizei an alle weiterführenden Schulen und holt illegale Waffen ab. Besonderes Lockvogelangebot an die Schüler: Ihre auf diese Weise offenbarten Missetaten bleiben sanktionsfrei. Auch soll die anschließende Vernichtung der Butterflymesser, Schlagringe und was unsere Schüler sonst noch so vom Taschengeld gekauft haben, gratis sein. Diese Idee der Polizei hat sich die Bildungsverwaltung zu eigen gemacht und alle Schulleiter über den Plan informiert. Die Lehrer sollen die Waffen einsammeln; so werden die Personalien der vormals bewaffneten Schüler polizeilich nicht erfasst. So verwegen und vielleicht zugleich naiv das Vorhaben auch erscheinen mag: Man muss eben alles versuchen. Ob man Gewaltdelikte und Amokläufe auf diese Weise verhindern kann, mag zweifelhaft erscheinen. Die bisherigen Amokläufer – Winnenden stand Pate für dieses Projekt – hätte vorher meist auch keiner für solche gehalten. Anti-Gewalt-Trainings und Sozialprojekte helfen bestimmt auch, aber Erfolge sind hier schwer messbar. Dagegen zählt jedes abgegebene Messer, jeder einkassierte Schlagring und wer weiß, was für Kampfgerät in den Haushalten mancher Jugendlicher sonst noch greifbar ist. Man wird sehen, was die Idee bringt. Den Versuch ist es wert. Fatina Keilani

CONTRA
Waffen haben an Schulen nichts zu suchen. Niemals! Deswegen ist es absurd, die Schulleitungen aufzufordern, am 1. Dezember Waffensammelstellen einzurichten. Wie naiv ist man bei der Bildungsverwaltung, um auf diesen Vorschlag zu kommen? In der Hoffnung, dass möglichst viele sich von ihrem Arsenal trennen. Natürlich wissen wir, dass in zu vielen Schülerrucksäcken Messer und andere Unheil bringende Gerätschaften zur Grundausstattung gehören. Es ist bestimmt richtig, wenn die Lehrer das Thema Waffenamnestie im Unterricht – etwa der politischen Sozialkunde - ansprechen und dabei vielleicht dem einen oder anderen tief in die Augen schauen. Aber daraus eine Aktion der kollektiven Waffenabgabe machen zu wollen, ist weltfremd. Sollen sich die Jugendlichen etwa im Kreis versammeln, die Waffen reinlegen und die Formel „So etwas will ich nie wieder bei mir haben!“ sprechen? Vor allem auch ist in der Schule die Anonymität nicht gewahrt, die man eventuell braucht, um den Schritt der persönlichen Abrüstung zu gehen. Oder dachte man, die Jugendlichen wüssten vielleicht nicht, an wen sie sich wenden könnten? Keine Sorge, Bürschchen, die gewitzt genug sind, sich Springmesser und Totschläger zu besorgen, sind auch in der Lage, allein herauszufinden, wo sie diese wieder abgeben können. Sigrid Kneist

Was meinen Sie?
Sollen Waffen an den Schulen eingesammelt werden?
Rufen Sie am heutigen Sonntag zwischen 8 und 23 Uhr an.
Wenn Sie dafür sind, wählen Sie 0137-203333-1
Sind Sie dagegen, wählen Sie 0137-203333-2 (14 Cent pro Anruf)
Das Ergebnis veröffentlichen wir am Dienstag.

Sie können auch im Internet unter www.tagesspiegel.de/umfragen abstimmen.

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