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Berlin: Wagnerianer mit Einstecktuch

Heidegger, Shakespeare, Stresemann, Harun al Rashid - einem Laudator vom Range Christoph Stölzls ist keine Zitatenquelle zu abgelegen, um nicht wie beiläufig edles Satzwerk aus ihr zu schöpfen. Sogar Dr.

Heidegger, Shakespeare, Stresemann, Harun al Rashid - einem Laudator vom Range Christoph Stölzls ist keine Zitatenquelle zu abgelegen, um nicht wie beiläufig edles Satzwerk aus ihr zu schöpfen. Sogar Dr. Klöbner aus der Badewanne fand Erwähnung. Ein beachtliches Stück deutscher Feierstunden-Kultur bot sich den Gästen - ideales Futter für jeden Humoristen -, und Laudator Stölzl war sich natürlich zu jeder Sekunde bewusst, dass er in die „Loriot-Falle“ getappt war. Er wollte es nicht anders.

Loriot, oder auch: Vicco von Bülow, Doktor honoris causa, ist seit gestern Ehrenmitglied des Orchesters der Deutschen Oper. Ein langer Titel, der zu den besten Hoffnungen Anlass gibt. Loriot, wie immer in gedecktem Zwirn mit Einstecktuch, bot in einer kurzen Dankesrede seine Mitarbeit an. „In Notfällen stehe ich für die Übernahme heikler instrumentaler Solopartien zur Verfügung."

Seit Jahren präsentiert Loriot Wohltätigkeitskonzerte des Orchesters und vor allem den „Ring an einem Abend“, eine auf vier Stunden gekürzte Fassung des voluminösen Nibelungen-Epos. Loriot erzählt die Geschichte natürlich auf seine Weise, schelmisch und mit ironischen Anleihen aus dem postmodernen Geschlechterkampf. Die Walküren werden bei ihm zu flotten Schwimmerinnen, die Riesen Fasolt und Fafner zu Wotans „Bauunternehmern mit Schuhgröße 58“. Laudator Stölzl sagt es ungefähr so: Nach dem verzweifelten Versuch, die Story mittels eines Opernführers zu durchdringen, betritt der Wagner-Novize bei Loriot das „Paradies glasklaren Verständnisses“.

Loriot erhielt von Generalmusikdirektor Thielemann eine schöne große Urkunde unter Glas überreicht. Die Goldbarren vor dem Rednerpult waren leider nur die Originaldekoration aus „Rheingold“. Karl-Heinz Rössling vom Orchestervorstand wurde nicht müde, das Musikverständnis Loriots zu loben – „der kennt den Wagner ganz genau“. Loriot gab zu, etwas Klavier gelernt zu haben. Dann sei leider der Krieg ins Land gezogen, danach fehlte irgendwie die Zeit. „Musik war trotzdem das Wichtigste in meinem Leben.“ Und die Wagnersche ganz besonders. Den Loriot-Ring wird es wohl nicht mehr live geben. Vier Stunden Bühne - das sei ihm inzwischen zu anstrengend. 79 Jahre sind kein Pappenstiel. Otto Sander solle das mal übernehmen.Thomas Loy

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