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Eissportlerin Jenny Wolf Trainiert in Hohenschönhausen und engagiert sich in Lichtenberg.

© Mike Wolff/TSP

Wahlbezirke (4): Lichtenberg: Weit mehr als Platte

Lichtenberg ist das Multikulti-Viertel unter den Ostbezirken. Eissportlerin Jenny Wolf kennt den Kiez von Kindesbeinen an - und weiß, wie sehr er sich verändert hat.

Nur eines ist aus Jenny Wolf nicht rauszukriegen: Wo ihre tägliche Laufstrecke liegt. Perfekt soll sie sein und komplett im Wald versteckt. „Sonst kommen noch mehr Leute dorthin, und es ist sowieso schon so voll“, sagt sie und lächelt entschuldigend. Wenn es nicht gerade um ihre Joggingrunde geht, ist die 32-jährige Eisschnellläuferin auskunftsfreudig. Wer sie beim Bäcker trifft oder im Supermarkt, darf sie getrost ansprechen und um ein Autogramm bitten – oder um einen Tipp, wie sich Schlittschuhe am besten pflegen lassen. „Wenn die Leute am Sport interessiert sind – kein Problem.“

Jenny Wolf lebt seit zehn Jahren im Bezirk, zunächst in der Herberge des Sportforums Hohenschönhausen, seit einigen Jahren in der eigenen Wohnung. Lichtenberg kennt die Sportlerin seit ihrer Kindheit, ihre Mutter ist hier geboren, ihre Oma wohnte in Friedrichsfelde, direkt gegenüber dem Tierpark. Seit ihrer Kindheit, als Jenny Wolf mit ihrer Oma oft im Tierpark unterwegs war, hat sich Lichtenberg enorm verändert. Andere Häuser, neue Einwohner, viele Einkaufscenter – das Ringcenter, die Möllendorffpassagen, das Einkaufszentrum an der Landsberger Allee. Das Ringcenter schätzt auch Jenny Wolf als Einkaufsmöglichkeit. Gerne und häufig kaufe sie auch in den vielen kleinen russischen und vietnamesischen Kiezläden ein. „An diesen Läden merke ich, dass der Bezirk immer multikultureller wird“, sagt sie. Tatsächlich ist der Anteil von Menschen nichtdeutscher Herkunft in Lichtenberg mit rund 15 Prozent höher als in den übrigen Ostbezirken.

Dass es auch Probleme gibt im Bezirk, soziale Spannungen, Integrationsschwierigkeiten, „das ist sicher so“, sagt Jenny Wolf. In der Förderung der Integration sehe sie eine der wichtigsten Aufgaben, der Politik und der Gesellschaft. Auch sie selbst möchte ihren Beitrag leisten: durch ihr soziales Engagement für die Kinder im Bezirk. Jenny Wolf ist „Liki-Patin“, Repräsentantin des Lichtenberger Kinderpflegedienstes. „Die haben sehr um mich geworben, und ich habe gerne zugesagt“, sagt sie. Sie kennt ja viele Leute, auch von den politisch Verantwortlichen; als Spitzensportlerin geht sie im Lichtenberger Rathaus ein und aus – etwa, wenn die Athleten vor Olympischen Spielen feierlich verabschiedet werden. Im Rathaus entstand auch der Kontakt zur Bürgerstiftung Lichtenberg, für die sie ebenfalls wirbt. „Repräsentantin sein, das ist ja nicht viel Arbeit, eben meinen Namen zur Verfügung stellen, zu Veranstaltungen gehen, Werbung machen“, sagt sie. „Ich könnte in dem Bereich schon noch mehr machen – soziale Einrichtungen können mich also gerne ansprechen.“

Die Kinder vom Lichtenberger Pflegekinderdienst lädt die Eisschnellläuferin zum Schnuppertraining ein. Kinder an den Sport heranzuführen, liegt ihr ganz besonders am Herzen. „Die wollen am liebsten gleich auf das schnelle Eis“, erzählt sie lachend. Manchmal bekommt Jenny Wolf auch Briefe von den Kindern, bei Wettkämpfen jubeln sie ihr auf der Tribüne zu. „Es ist sehr beeindruckend“, sagt sie. Ansprechbar, nahbar, sympathisch: So ist die Berlinerin, die neben ihrem Sport ihr Zweitstudium absolviert: An der Beuth-Hochschule macht sie ihren Master in Betriebswirtschaft und Projektmanagement; den Magister in Germanistik und Soziologie hat sie schon. Der Sport sei schließlich nicht alles.

Was Jenny Wolf davon hält, dass auch in Lichtenberg schicke Neubauwohnungen und Sanierungsprojekte aus dem Boden schießen – und sich manche Kieze schon als „neues Friedrichshain“ verkaufen? „Prinzipiell begrüße ich das.“ Sie sagt aber auch: „Schicke Wohnungen alleine reichen aber noch nicht.“ Was ihr noch fehlt im Bezirk? „Es könnte ein paar mehr Restaurants geben.“

Lichtenberg, Hohenschönhausen – für viele sind das wenig attraktive Ortsteile. Was Jenny Wolf denen sagt, die solche Vorurteile haben? Sie runzelt die Stirn, überlegt, lacht. „Man sollte einfach mal herkommen.“ Dann steigt sie aufs Herrenrad und fährt davon.

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