zum Hauptinhalt
Gut getarnt. Hier sitzen Ministerpräsident Dietmar Woidke und seine Ehefrau Susanne. Macht schon mal zwei Stimmen für die SPD.

© Patrick Pleul/dpa

Wahlen in Brandenburg: Die Stimmabgabe dauerte manchmal mehrere Minuten

In Brandenburg stand die Kommunalwahl an: Ministerpräsident Dietmar Woidke faltet (SPD) seine großen Stimmzettel in Forst, CDU-Chef Michael Schierack wird in einer Kneipe in der Lausitz angepöbelt.

Auf dem Feld pickt in aller Seelenruhe ein Storch nach Futter. Still und verlassen liegt Eulo, ein Ortsteil der Stadt Forst, an diesem sonnigen Sonntag. Das Tier lässt sich nicht einmal stören, als keine zwanzig Meter entfernt Dietmar Woidke und seine Frau vorbeischlendern, Brandenburgs Ministerpräsident, auf dem Weg ins Wahlokal. Es ist elf Uhr. Unterwegs treffen sie noch einen jungen Mann. Man kennt sich, natürlich, hier auf dem Dorfe. Ja, er dürfe zum ersten Mal wählen, sagt Jonas Lehmann, ein 17-jähriger Oberschüler. „Das ist ja prima, dann wähl ich heute gleich mit dem Chef zusammen.“ Da erwidert Woidke: „Erzähl bloß nicht, wir hätten dich extra herausgeklingelt!“ Wer die Stimmen des Erstwählers bekommen wird? „Das schnackle ich noch aus, das entscheide ich spontan oder ich wähle eben den Meister“ Gemeint ist der Regierungschef, der an diesem Tag selbst nicht zur Wahl steht. Der grient.

So wie hier in Forst war es weitgehend ein unaufgeregter Wahltag in Brandenburg, wo am Sonntag nicht nur das Europaparlament gewählt wurde, sondern auch Kommunalwahlen stattfanden. Und erstmals durften auch Jugendliche ab 16 die Gemeindevertretungen, vierzehn Kreistage und vier Stadtverordnetenversammlungen der großen Städte Potsdam, Cottbus, Frankfurt/Oder und Brandenburg an der Havel mitwählen. Das allerdings war für Jung und Alt ein kompliziertes, aufwendiges Prozedere. Die Wahlzettel waren so groß, dass sie ausgebreitet kaum in die Wahlkabinen, und dann erst mehrfach zusammengefaltet in die Schlitze der Urnen passten. Die Stimmabgabe dauerte oft mehrere Minuten.

An manchen Orten bildeten sich Schlangen

Mancherorts bildeten sich daher immer wieder Schlangen, obwohl die Wahlbeteiligung brandenburgtypisch eher gering war. Um 14 Uhr lag sie bei 25,2 Prozent - noch weniger als bei den Kommunalwahlen 2008, wo es zu dieser Zeit 27 Prozent waren. Damals hatte die SPD gewonnen, allerdings nur mit 25,8 Prozent, knapp vor den Linken mit 24,7 Prozent, die CDU kam auf 19,8 Prozent. Schon damals hatte sich abgezeichnet, dass für die erfolgsverwöhnte SPD, die das Land seit 1990 regiert, die Bäume nicht mehr in den Himmel wachsen.

Und am 14. September gibt's die Landtagswahl

Was der Ausgang dieser Kommunalwahl für die Landtagswahl im 14. September bedeutet, die erste, die er selbst gewinnen muss, wenn er Ministerpräsident bleiben will? „Eine Kommunalwahl hat ihre eigenen Gesetze“, meinte Woidke da. Aber natürlich sei der Ausgang „ein Stimmungssbarometer, intern, wichtig für die eigene Partei, aber auch nach Außen“.

Auch deshab hatte Woidke die letzten Wochen genutzt, um mit einem „Küchenkabinett“ durchs Land zu tingeln, einer Art wandernden Talkshow, bei der er als Mensch in Szene gesetzt wurde, Anekdoten aus seinem Leben erzählte, oder auch mal von seinem Hund. „Ein echter Rauhaardackel. Im Spiegel sieht er einen Löwen.“ Alles auf die Nummer Eins ausrichten - das ist erprobte Strategie der SPD, auf dieses Rezept hatte man auch bei Vorgänger Matthias Platzeck gesetzt. „Bei den großen Parteien ähneln sich die Programme ja“, sagt Woidke dazu. „Am Ende wird es maßgeblich auf die Spitzenkandiaten ankommen. Und darauf freue ich mich.“ 

Eine halbe Autostunde entfernt, in Dissen-Striesow, einem idyllischen Lausitzer Dorf nördlich von Cottbus, macht sich kurz nach Zwölf der Herausforderer auf den Weg: Michael Schierack, der Partei- und Fraktionschef der CDU, die die Bundestagswahl im Herbst 2013 im bis dato „roten“ Brandenburg haushoch gewonnen hatte. Das Wahllokal in Dissen ist in einer Sportlerklause untergebracht, was eine skurrile Szenerie ergibt. Zur Rechten wird gewählt, zur Linken in der Kneipe – geteilt nur durch eine Glaswand – fließt beim Stammtisch das Bier. Und das reichlich. Als Schierack mit seiner Familie eintrifft, mit dabei auch die beiden Kinder, man ist geradelt, alle wollen nachher noch zum Mittelalterfest, kommt es zu einer bösen Szene. Ein  Betrunkener pöbelt Frau Schierack an, droht ihr, beleidigt sie, bis ihr Mann dazwischengeht. „So gehen Sie nicht mit meiner Frau um! Ich hole die Polizei.“ Alle, auch Schierack selbst, sind verstört, dass nicht einmal hier, in ihrem Heimatdorf, solche Begleiterscheinungen des Spitzenjobs ausgeschlossen sind.

Noch sind die Wahllokale einige Stunden geöffnet. Schierack ist zurückhaltender als Woidke, was Zusammenhänge zur Landtagswahl im Herbst angeht. „Das kann man nicht vergleichen.“ Er habe ein „gutes Gefühl“, er rechne mit einem guten Ergebnis für die CDU. Hat er keine Sorge, dass die Alternative für Deutschland der Union viele Stimmen abnimmt, jetzt, aber auch zur Landtagswahl? Seine antwort fällt nachdenklich aus. „Ich glaube, das betrifft alle Parteien.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false