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Wahlen: Jüdische Gemeinde vor Machtwechsel

Das Bündnis der Soziologin Lala Süsskind geht als Sieger aus den Wahlen in der Berliner Jüdischen Gemeinde hervor. In den letzten Monaten hatte es heftige Auseinandersetzungen gegeben, einzelne Gemeindemitglieder warfen sich "stalinistische Methoden" vor.

Nach jahrelangen heftigen Querelen setzt die Jüdische Gemeinde Berlins auf einen Neuanfang. Prominente Mitglieder erhoffen sich vom Ausgang der Wahl zum Gemeindeparlament die Überwindung der Grabenkämpfe. Klarer Sieger des Urnengangs wurde am Sonntag das Bündnis "Atid" (Zukunft), das mit 13 von 21 Sitzen die absolute Mehrheit errang. Dessen Spitzenkandidatin Lala Süsskind hat damit gute Chancen, bei der Vorstandswahl im Januar als erste Frau an die Spitze der mit 12.000 Mitgliedern größten Jüdischen Gemeinde Deutschlands gewählt zu werden.

Der Erfolg sei in dieser Deutlichkeit nicht zu erwarten gewesen, heißt es auf der Homepage von "Atid". Mit der Wahl würden in die so genannte Repräsentantenversammlung "Respekt und ein vernünftiger Ton" einziehen. "Die Jüdische Gemeinde zu Berlin hat wieder eine Zukunft." Als Hauptaufgaben sieht "Atid" die Wahrung der Einheitsgemeinde und die Wiederherstellung ihrer Reputation. Die Gemeinde, deren Mitglieder zu rund 80 Prozent aus Osteuropa zugewandert sind, gilt seit vielen Jahren als völlig zerstritten.

Erste Frau an der Gemeindespitze

Die Soziologin Süsskind erhielt mit 1569 Stimmen das zweitbeste Einzelergebnis. Übertroffen wurde sie nur von Ex-Gemeindechef Alexander Brenner, der als einer von zwei unabhängigen Kandidaten ins Parlament einzieht. Auch der amtierende Vorsitzende Gideon Joffé wurde wiedergewählt, kam allerdings nur auf Platz 17. Joffé, dessen nach einem jüdischen Rabbiner benannte Liste "Hillel" insgesamt fünf Repräsentanten stellt, war kurz vor dem Urnengang noch knapp der Abwahl entgangen.

Abgestraft wurde dagegen der ebenfalls umstrittene bisherige Stellvertreter der Gemeinde, Arkadi Schneiderman. Alle Mitglieder seiner Gruppe "Tachles" verfehlten den Einzug ins Parlament. Auf einen Sitz bringt es die Liste "Neue Namen". Insgesamt waren zur Wahl 63 Kandidaten angetreten. Die Wahlbeteiligung lag bei 34,5 Prozent. Der ehemalige Gemeindevorsitzende Andreas Nachama äußerte sich "sehr erfreut" über den Wahlausgang. Er schöpfe wieder Hoffnung auf einen Neuanfang. "Alle Gewählten bieten die Gewähr für Sachlichkeit und einen freundschaftlichen Umgang", sagte Nachama. Er traue Süsskind das Amt der Vorsitzenden zu. Die frühere Chefin der jüdischen Frauenorganisation WIZO sei durchsetzungsfähig. Auch die Gemeinde sei reif für die erste Frau an ihrer Spitze.

Ex-Vorsitzender: "Stalinistische Methoden"

Die Gemeinde geht nach Einschätzung ihres Ex-Vorsitzenden Albert Meyer gestärkt aus der Wahl hervor. Der Sieg von "Atid" sei Ausdruck der "Sehnsucht nach Frieden" und gewährleiste den Bestand der Einheitsgemeinde. Scharf griff er erneut die bisherige Führung um Joffé und Schneiderman an. Sie habe mit "stalinistischen Methoden" gearbeitet, sagte Meyer, der 2005 nach heftigen persönlichen Attacken das Handtuch geworfen und später mit Gleichgesinnten eine Abspaltung von der Einheitsgemeinde erwogen hatte.

Das neue Gemeindeparlament wird im Januar zusammentreten. In der konstituierenden Sitzung soll der fünfköpfige Vorstand gewählt werden, der aus seiner Mitte dann den Vorsitzenden bestimmt. Die Amtszeit beträgt vier Jahre. Ob das vorläufige amtliche Endergebnis Bestand hat, bleibt aber anzuwarten. Es wird nicht ausgeschlossen, dass es wie schon in der Vergangenheit während der Einspruchsfrist angefochten wird. (mit ddp)

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