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Berlin: Wahlkampf für die kleinen Leute

Die Linken in der Berliner SPD wollen nicht für Agenda 2010 und Hartz IV werben und fordern einen radikalen Kurswechsel

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

So wie es war, soll es nicht bleiben. „Wir ziehen nicht mit der Agenda 2010 und Hartz IV in den Wahlkampf“, sagt Mark Rackles. Er führt im SPD-Landesverband den linken Flügel an. Und der hat Einfluss auf das innerparteiliche Geschehen. Am Dienstagabend traf sich der Koordinierungskreis der „Berliner Linken“, dem viele Mitglieder des Landesvorstands, mehrere Kreischefs, Landtags- und Bundestagsabgeordnete und die Senatorin Ingeborg Junge-Reyer angehören.

Über die Sinnhaftigkeit von Neuwahlen wurde gar nicht mehr diskutiert, auch wenn sich die Linke wie „im Schwitzkasten der Partei“ fühlt. Das ist unbequem, aber raus will niemand. Die Pläne des Ex-Parteichefs Oskar Lafontaine für eine neue Linkspartei stießen bei dem Treffen auf demonstratives Desinteresse. Stattdessen wurde über eine Resolution für den SPD-Landesvorstand diskutiert, die am Freitag auf einer Vollversammlung der Linken beschlossen werden soll.

Der Tenor dieses Papiers wird wohl sein: Mit der bisherigen Politik auf Bundesebene kann die SPD keine Wahlen gewinnen. Die Flucht in eine große Koalition mit der CDU soll in jedem Fall verhindert werden. „Wir stehen für Rot-Grün, und nur so ist eine Polarisierung des Wahlkampfes hinzubekommen“, sagte die Berliner SPD-Bundestagsabgeordnete Petra Merkel dem Tagesspiegel. Sie nahm gestern mit dem Parteifreund Rackles an einem Treffen der SPD-Bundeslinken teil, die sich mit einem eigenen Manifest für den Wahlkampf länderübergreifend koordinieren wollen.

Die Vereinbarungen des Jobgipfels, vor allem die Senkung der Unternehmenssteuern, sind für den linken SPD-Flügel passé. Erwogen wird eine Erhöhung der Mehrwertsteuer. „Aber nur dann, wenn damit öffentliche Investitionsprogramme finanziert werden“, sagt Rackles. Die Einführung von Mindestlöhnen und eine Bürgerversicherung stehen ebenfalls auf der Agenda der Linken. Außerdem empfinden es – auch in der Berliner SPD – viele Genossen inzwischen als Zumutung, dass der Bundeskanzler Gerhard Schröder mit seiner wenig erfolgreichen Regierungsmannschaft in den Wahlkampf ziehen will.

„Wir müssen uns klar positionieren“, begründete der SPD-Abgeordnete Frank Zimmer die geplante Resolution für den Landesvorstand. Er spricht für die Linken in der Abgeordnetenhausfraktion. Mit Rücksicht auf den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit und den SPD-Landeschef Michael Müller gibt sich die „Berliner Linke“ kompromissbereit. „Das Papier soll mehrheitsfähig sein“, sagt Zimmermann. Trotzdem müssten die Sozialdemokraten mit deutlichen Kurskorrekturen im Wahlkampf deutlich machen, „wie wir in Zukunft wieder die Interessen der kleinen Leute vertreten wollen“. Vor allem den frustrierten Nichtwählern müsse ein Angebot gemacht werden.

Einig war sich der Koordinierungskreis der Linken auch, dass die Abkoppelung der Bundestags- von der Abgeordnetenhauswahl 2006 für die Berliner SPD nur gut sein kann. Auf die Konkurrenz von der PDS muss man dann nicht so viel Rücksicht nehmen, auch wenn die Sozialisten Koalitionspartner sind. Denn im bevorstehenden heißen Herbst geht es um die Macht im Bund, nicht um Berlin. „Selbstverständlich werden wir versuchen, auch der PDS Wähler abzunehmen“, kündigt Mark Rackles an. Er selbst würde gern in den Bundestag einziehen. Der Anspruch ist angemeldet, aber noch nicht erfüllt. Auch die SPD-Linke Mechthild Rawert will kandidieren, ihre Chancen stehen gut. Auch deshalb, weil großer Nachholbedarf besteht. In der SPD-Landesgruppe im Bundestag sitzen zurzeit acht Männer und eine Frau.

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