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Der im vorigen Frühjahr eröffnete Hotel- und Büroturm "Upper West" markiert den Aufschwung am Breitscheidplatz.

© Cay Dobberke

Wahlkreisserie zur Bundestagswahl: Charlottenburg-Wilmersdorf: Wo die politische Mitte die Mehrheit hat

Die City West glänzt mit neuen Hochhäusern und Luxuswohnungen – die Politik versucht, gewachsene Kieze und die soziale Mischung zu bewahren. Spannung verspricht das Duell ums Direktmandat.

Wer wohnt hier?

Bei dem Bau-Boom geht es keineswegs nur um Hochhäuser und Geschäftsbauten rund um den Kurfürstendamm. Auf fast jeder noch bebaubaren Fläche entstehen Wohnungen, wobei es sich größtenteils um Eigentumswohnungen für eine kaufkräftige Klientel handelt. Schrittweise verändert sich damit die soziale Struktur. Eine der meistdiskutierten Fragen in der Bezirkspolitik lautet, wie man bezahlbaren Wohnraum erhalten kann – unter anderem ist dafür die Ausweisung mehrerer Milieuschutzgebiete geplant. Das Durchschnittsalter der Bevölkerung ist das zweithöchste in Berlin (nach Steglitz-Zehlendorf).

Doch Charlottenburg-Wilmersdorf ist nicht homogen. Traditionell ist Wilmersdorf der wohlhabendere und konservativere Ortsteil – deshalb wurden die „Wilmersdorfer Witwen“ aus dem Musical „Linie 1“ des Grips-Theaters zu einem geflügelten Wort. Speziell im Ortsteil Schmargendorf hat die CDU bei Abgeordnetenhaus- oder Bundestagswahlen schon oft Rekordergebnisse im stadtweiten Vergleich erzielt. Charlottenburg mit alten Arbeitervierteln wie dem Kiez um den Klausenerplatz ist politisch etwas „linker“. Charlottenburg-Nord gilt als sozialer Brennpunkt, was im Wahlkreis 80 bei der Bundestagswahl allerdings keine Rolle spielt, weil dieses Gebiet zum Wahlkreis 78 des Nachbarbezirks Spandau gehört.

Die Mehrheit in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) besitzt seit 15 Jahren eine Zählgemeinschaft der SPD und Grünen. Nach den Berliner Wahlen im vorigen Herbst kamen drei neue BVV-Fraktionen hinzu: die Linken – die mit SPD und Grünen eine „Tolerierungsvereinbarung“ abgeschlossen haben – sowie die FDP und die AfD. Letztere spielt mit nur fünf der 55 Bezirksverordneten eine untergeordnete Rolle und erhielt keinen Stadtratsposten.

Welches Duell wird spannend?

Das Rennen um das Bundestags-Direktmandat wird aller Voraussicht nach zwischen Klaus-Dieter Gröhler (CDU) und Tim Renner (SPD) entschieden, wobei Gröhler nach ersten Umfragen die besseren Chancen hat. Ihn lernten die Wähler bereits als langjährigen Stadtrat und Vize-Bezirksbürgermeister kennen, bis er 2013 durch einen Sieg über die damalige SPD-Kandidatin Ülker Radziwill in den Bundestag einzog. Zuvor allerdings hatte die SPD-Politikerin Petra Merkel drei Mal den Wahlkreis gewonnen, bis sie aus Altersgründen nicht mehr antrat. Gröhler ist beliebt und hat einen untadeligen Ruf, konnte sich als Haushaltspolitiker im Bundestag allerdings bisher wenig profilieren.

Ein ganz anderer Typ ist Tim Renner, der frühere Berliner Kulturstaatssekretär und Musikmanager. Er wirkt auch mit 52 Jahren noch ziemlich jugendlich und kommt anscheinend vor allem bei jüngeren Wählern gut an. Als Quereinsteiger kann er aber nicht mit großen politischen Erfolgen in der Vergangenheit punkten.

Hat man hier überhaupt eine Wahl?

Die Kandidaten der übrigen Parteien können nicht mit dem Direktmandat rechnen, sind aber mehr oder weniger gut über die Landeslisten ihrer Parteien abgesichert und können so trotzdem auf den Einzug in den Bundestag hoffen. Die grüne Finanzpolitikerin Lisa Paus kam auf diese Weise bereits 2009 zu einem Parlamentsmandat. Als Direktkandidatin unterlag sie 2013 dem CDU-Kandidaten Gröhler, der mehr als doppelt so viele Stimmen erhielt. Diesmal tritt die 48-jährige Paus als Grünen-Spitzenkandidatin für ganz Berlin an. Auch der Charlottenburg-Wilmersdorfer FDP-Direktkandidat Christoph Meyer führt die Landesliste seiner Partei an. Der auf das Thema Innere Sicherheit spezialisierte AfD-Bewerber Nicolaus Fest, früher Vize-Chefredakteur der Zeitung „Bild am Sonntag“, steht bei seiner Partei auf dem fünften Listenplatz – ob ihm das in den Bundestag verhelfen wird, ist fraglich. Bei den Linken schaffte es die 30-jährige Direktkandidatin Friederike Benda nur auf Platz elf der Landesliste.

Was ist das Skurrilste aus dem Wahlkampf?

SPD-Kandidat Tim Renner erregte Aufsehen mit einem Video auf seiner Webseite, das Stationen seines Lebens zeigt – und ihn zum Schluss mit nacktem Oberkörper. Andererseits musste er erleben, dass Unbekannte seinen Namen auf einigen Plakaten verunstalteten: Aus „Renner“ wurde mit einer kleinen Retusche „Penner“ – ein mäßig origineller Gag.

Die AfD löste Zorn unter Anwohnern und Eltern von Schülern aus, weil sie eines ihrer Plakate an einen Laternenmast direkt vor dem Eingang der Grundschule Alt-Schmargendorf hängte. Bei der Kreiswahlleitung des Bezirksamts gingen deshalb Beschwerden ein, woraufhin sich Ordnungsstadtrat Arne Herz (CDU) dazu veranlasst sah, die Rechtslage klarzustellen: Vor öffentlichen Gebäuden sei Wahlwerbung grundsätzlich erlaubt. Ein Verbot würde auch dem „Parteienprivileg“ aus Artikel 21 des Grundgesetzes widersprechen.

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