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Was wollt ihr denn noch hier? Wie in Mitte und Pankow konnte man am Montag quer durch die Stadt übrig gebliebene Plakate entdecken. Die meisten der stadtweit mehr als 100 000 Exemplare wurden allerdings bereits entfernt.

© Doris Spiekermann-Klaas

Wahlplakate in Berlin: Jetzt bloß nicht hängen lassen

Nicht alle Parteien entfernen ihre Werbung wie vorgeschrieben. Das scheint auch vom Wahlergebnis beeinflusst – mit einer Ausnahme.

Je schlechter eine Partei bei der Bundestagswahl abgeschnitten hat, desto weniger ist sie offenbar motiviert, die Überreste des Wahlkampfs zu beseitigen. Das legt zumindest eine Rundfahrt durch die Berliner Innenstadt am Montag nahe – an dem nach Vorgabe der Ordnungsämter alle Wahlplakate beseitigt sein sollten. Während von den großen Parteien CDU und SPD kaum noch Plakate zu finden sind, lassen sich die Wahlverlierer Grüne und Piraten sowie auch die knapp an der Fünf-Prozent-Hürde gescheiterte AfD ganz schön hängen. Im wörtlichen Sinne.

An der Prenzlauer Allee zum Beispiel: Zahlreiche Poster der Grünen und der Piraten hängen hier acht Tage nach der Bundestagswahl immer noch an den Laternen – obwohl die Ordnungsämter gedroht haben, nicht entfernte Plakate auf Kosten der Verursacher zu entfernen. Und vor dem Bundesfinanzministerium in der Wilhelmstraße hängen mehrere AfD-Plakate an den Laternenmasten. Der Wahlsieger CDU hingegen scheint fast alle Spuren der Materialschlacht beseitigt zu haben, von einem Merkel-Porträt abgesehen, das in der Mohrenstraße verloren zwischen zwei NPD-Postern hängt. Auch von der SPD findet man höchstens in Seitenstraßen noch Überbleibsel.

Beeinflussen also der Wahlausgang und die Größe der Partei die Motivation, hinter sich aufzuräumen? Könnte man meinen. Wäre da nicht die FDP. Denn die ist am 22. September besonders böse baden gegangen und scheint doch der fleißigste Aufräumer zu sein. Zwischen Pankow, Mitte und Kreuzberg findet sich bei der – nicht repräsentativen – Stadtbetrachtung am Montag kein einziges vergessenes Liberalen-Poster. Wieso? „Wir haben eine gemischte Vorgehensweise“, erklärt der Berliner FDP-Wahlkampfkoordinator Helmut Metzner. Ein Dienstleistungsunternehmen kümmerte sich um die Plakatbeseitigung entlang der großen Straßen, in den Nebenstraßen griffen Ehrenamtliche zu, außerdem waren die Mitglieder aufgerufen, vergessene Plakate zu melden. Bereits in der Nacht des 22. September, als die anderen Parteien noch feierten oder trauerten, habe man mit dem Aufräumen angefangen, sagt der FDP-Sprecher.

Wieso das nicht bei allen klappt? Der Berliner Piraten-Sprecher Ben de Biel kann sich das nicht so recht erklären. Die Motivation der Parteifreunde sei trotz des schlechten Wahlausgangs nicht am Boden, sagt er. Und seines Wissens seien auch die meisten Plakate schon abgehängt. Das sei zwar anstrengend – aber das gelte bei einem Wahlergebnis von 8,7 Prozent ebenso, sagt er mit Verweis auf die Abgeordnetenhauswahl 2011.

Die Grünen immerhin haben eine plausible – und von den Ordnungsämtern akzeptierte – Erklärung, wieso sie noch tausendfach an den Laternen hängen: Rund 1500 Grünen-Plakate werden sukzessive mit Werbemotiven für den Volksentscheid zum Rückkauf des Berliner Stromnetzes und zum Aufbau eines Öko-Stadtwerks überklebt, den die Grünen unterstützen, sagt Parteisprecherin Johanna Forys. Dafür sollen allerdings nur wetterfeste Hartfaserplakate benutzt werden – die schlappen Pappkameraden der Pankower Grünen lassen sich damit also nicht entschuldigen.

Die Mitarbeiter der Ordnungsämter begannen am Montag mit der offiziellen Bestandsaufnahme, konnten aber noch nicht sagen, welche Parteien nach ihrer Zählung besonders nachlässig aufgeräumt haben. Sobald das festgestellt worden ist, holen die Bezirksämter ihre schärfsten Waffen heraus, die in der Verwaltungssprache „Ersatzvornahme“ und „Owi“ heißen, wie die Neuköllner Ordnungsamtschefin Nicole Gebell erklärt. „Ersatzvornahme“ bedeutet: Das Ordnungsamt lässt die Poster abnehmen, stellt das den Parteien in Rechnung oder behält die in einigen Bezirken vorsichtshalber einkassierte Kaution ein. Und „Owi“ steht für Ordnungswidrigkeit, sprich ein Bußgeldverfahren. So kamen in den vergangenen Jahren für einzelne Parteien pro Bezirk schon mal vierstellige Beträge zusammen, sagt der Ordnungsamtsstadtrat von Charlottenburg-Wilmersdorf, Marc Schulte. Zehn Euro pro Plakat für die Ersatzvornahme und nochmal zehn für die Ordnungswidrigkeit werden im Schnitt veranschlagt. Schwierig dürfte die Ermittlung des Schuldigen allerdings bei einem zerknickten Plakat in einer Pankower Seitenstraße sein: Dort haben Grünen-Unterstützer Aufkleber ihres Kandidaten auf ein CDU-Plakat geklebt, Schwarz-Grün im Kleinformat sozusagen. Wem das in Rechnung gestellt wird, ist noch zu klären.

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