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Berlin: Wahrzeichen und Visitenkarte

Kohl griff für die künfige Regierungszentrale im Spreebogen zum Spaten VON CHRISTIAN VAN LESSEN Berlin. "Die kühle Stimmung der Natur paßt nicht zu meiner Stimmung", rief Bundeskanzler Helmut Kohl gestern nachmittag gutgelaunt ins Mikrophon.

Kohl griff für die künfige Regierungszentrale im Spreebogen zum Spaten VON CHRISTIAN VAN LESSEN Berlin. "Die kühle Stimmung der Natur paßt nicht zu meiner Stimmung", rief Bundeskanzler Helmut Kohl gestern nachmittag gutgelaunt ins Mikrophon.Der erste Spatenstich für das Bundeskanzleramt in Berlin sei ein großer Tag für die Bundesregierung, die deutsche Hauptstadt, das wiedervereinigte Vaterland, ein großer Tag aber auch für ihn selbst.Das Gerede über eine bewußte Verzögerung des Hauptstadtumzugs müsse aufhören."Es gibt zwar enorme Probleme, das ist allgemein bekannt.Aber es ist selbstverständlich, daß der Umzug planmäßig stattfindet", betonte der Bundeskanzler. Kohl zeigte sich überzeugt davon, daß der Entwurf architektonisch und städtebaulich den historischen, politischen und kulturellen Dimensionen der Gegend, die Glanz, Zerstörung und Wiederbeginn symbolisiere, gerecht werde.Das benachbarte Brandenburger Tor sei ein Symbol der Freiheit, nicht nur in Deutschland; das Schloß Bellevue habe als Sitz des Bundespräsidenten jahrzehntelang die Verbundenheit mit dem freien Teil Deutschlands symbolisiert, und die Kongreßhalle sei ein Zeichen der deutsch-amerikanischen Freundschaft.Das neue Bundeskanzleramt werde ein städtebauliches Wahrzeichen und für Staatsgäste aus aller Welt eine wichtige Visitenkarte Berlins und Deutschlands sein."Ich wünsche, daß das Haus mit Gottes Hilfe eine gute und friedliche Zukunft haben möge".Kohl erinnerte daran, daß er fast an gleicher Stelle vor zehn Jahren schon einmal einen Grundstein für das Deutsche Historische Museum gelegt hatte, mit dem "Geschenk der deutschen Einheit" dann aber doch alles glücklicherweise ganz anders gekommen sei.Der Tag des ersten Spatenstichs sei von hoher symbolischer und praktischer Bedeutung.Der Umzugsbeschluß verpflichte dazu, einen würdigen und angemessenen Rahmen für Regierung und Parlament zu gewährleisten.Mit dem Hinweis, daß der Baugrund für das Kanzleramt unmittelbar nach dem Krieg eine Trümmeraufbereitungsanlage beherbergte, sagte Kohl: "Nie wieder sollen aus deutscher Politik Trümmer entstehen". Bei dem Baustellen-Festakt im Spreebogen, an dem auch Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth teilnahm, sprach Berlins Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen ebenfalls von einem "guten Tag" für Berlin und Deutschland insgesamt.Der Neubau möge einmal Ort richtiger und wichtiger Regierungsentscheidungen sein.Nach einem ökumenischen Gebet griff Helmut Kohl zum Spaten, stach dreimal ins aufgelockerte Erdreich und reichte das Gerät dann an Eberhard Diepgen weiter, der dem Spaten einen so heftigen Schwung verpaßte, daß der im Erdreich steckenblieb. Bis Ende 1999 soll der knapp 400 Millionen Mark teure Neubau, entworfen von den Berliner Architekten Axel Schultes und Charlotte Frank, fertig sein.Vorgesehen sind zwischen künftiger Nord- und Südallee jeweils fünfgeschossige Verwaltungsflügel mit 310 Büroräumen.Herausragendes Merkmal dieser Bauten sind die Wintergärten, um die herum jeweils 30 Räume angelegt sind.Die Gärten sind auch Teil eines ökologischen und energetischen Gesamtkonzepts, sie dienen als "thermische Pufferzone".Auf den Dächern der Häuser sollen Photovoltaikanlagen die Sonnenenergie nutzen.Zentrum des künftigen Bundeskanzleramtes aber ist ein 36 Meter hoher, neunstöckiger Bauteil, in dem unter anderem das Büro des Kanzlers und der Kabinettsaal untergebracht sind. Das Bauwerk mit seinen rund 19.000 Quadratmetern Hauptnutzfläche wird von der Nordallee erschlossen.Unterhalb der nördlich anschließenden Grünfläche im Spreebogen befindet sich eine Tiefgarage mit 200 Stellplätzen.Der offizielle Grundstein für das Amt soll im August gelegt werden. "Wir sind, was den Zeitplan betrifft, absolut im Zeitplan"(esch) In seinen kühnsten Träumen habe er nicht gedacht, einmal im ehemaligen Staatsrats-Gebäude ein Dienstzimmer zu haben, meinte gestern ein aufgeräumter Helmut Kohl, der in der Kongreßhalle das Modell seines neues Kanzleramtes vorführte.Denn der Staatsrat - dessen Herrichtung zehn Millionen Mark kosten wird - ist nur die Zwischenlösung für den Notfall.Ende 1999 will der Kanzler in den Neubau von Axel Schultes und Charlotte Frank ziehen und dort arbeiten: "Wir sind, was den Zeitplan betrifft, absolut im Zeitplan". Damit das so bleibt, besteht das Kanzleramt auf der Berufung eines dritten Geschäftsführers für die Bundesbaugesellschaft Berlin (BBB) - daß dafür der frühere Frankfurter Baudezernent Hans-Erhard Haverkampf vorgesehen ist, hatte im Januar Unruhe verursacht.Kohl sagte darüberhinaus, er bestehe auf getrennter Abrechnung des 398 Millionen Mark teuren Kanzleramtes und den übrigen BBB-Bauten. Ob der Kanzler, der hier einzieht, aber nun Helmut Kohl heißt, diese Frage mochte der Amtsinhaber gestern nicht beantworten."Ich werde einen Nachfolger haben, ich glaube, daß der der CDU angehört, wann das sein wird, weiß nur der liebe Gott", sagte er. Was die Sicherheit angehe, will Kohl einen "vernünftigen Mittelweg" beschreiten.Die Spreeuferwege bleiben öffentlich zugänglich, die Staatsgäste - zwei bis drei pro Woche - werden hinreichend geschützt.Immerhin handele es sich um das Kanzleramt der Bundesrepublik Deutschland. Sympathie hegt der Kanzler für das Robinienwäldchen am westlichen Spreeufer - hier sieht Schultes den Kanzlerpark vor.Kohl hofft, es gelinge, das Wäldchen zu erhalten - ohnehin steht der Kanzlerpark samt vorgesehener Tiefgarage bislang in den Sternen.Auch für das "Bundesforum" - zwischen Kanzleramt und Alsenblock geplant - gibt es noch keine Pläne.Kohl betrachtet dies nicht als seine Angelegenheit. Wohnen wird der Kanzler allerdings nicht bei Schultes."Nach 14 Jahre Bonn kann ich sagen: Das zerstört der Rest jeglicher Privatheit".Es sei sicher möglich, einen standesgemäßen Berliner Wohnsitz zu finden.

CHRISTIAN VAN LESSEN

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