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Ganz vorn: Das Motto der Anti-Nazi-Demo in Schöneweide.

© ddp

Walpurgisnacht: Demo gegen den "Henker" verläuft friedlich

Am Vorabend des 1. Mai demonstrierten Nazigegner vor der rechten Szenekneipe "Zum Henker" in Schöneweide. Größere Zwischenfälle blieben aus. Hier die Chronologie der Ereignisse von unserem Reporter vor Ort.

Von Frank Jansen

In der rechten Szene wurde intensiv dafür geworben, "schon einen Tag früher nach Berlin zu kommen", wie es am Donnerstag aus informierten Sicherheitskreisen hieß. Demnach wollten die Rechten in der Walpurgisnacht an einem Treffen in der Kneipe "Zum Henker" in Schöneweide teilnehmen. Die Polizei hatte angekündigt, das Lokal am Freitagabend weitläufig abzuriegeln, rund 750 Linke – hauptsächlich aus Antifa-Gruppen – demonstrierten vor dem "Henker". Es blieb weitgehend friedlich. Hier die Chronologie der Ereignisse.

15:00 Uhr

Vor zehn Tagen war die Fassade der bei Neonazis beliebten Kneipe "Zum Henker" in Berlin-Schöneweide durch einen Farbanschlag komplett in rosa Farbe getaucht worden. Mittlerweile ist die Farbe ab. Auffällig stattdessen: Rund um die Kneipe in der Brückenstraße befinden sich rechtsextreme Graffitis - beispielsweise auf Gullydeckeln. Sie zeigen einen Hammer und ein Schwert und werben für eine Internetseite, auf der zur rechtsextremen Demonstration am morgigen 1. Mai aufgerufen wird.

Noch ist rund um die Kneipe "Zum Henker" alles weitestgehend ruhig. Die Polizei ist anwesend, hat die Umgebung aber noch nicht abgeriegelt. In der Kneipe befinden sich einige Gäste. Eine weitere Gruppe sammelt sich und strömt in die Kneipe - szenetypisches Aussehen, Tätowierungen. Gegen-Demonstranten sind noch nicht zu sehen.

16:30 Uhr

Etwa 150 Linke, darunter auffällig viele in schwarz gekleidet, sammeln sich am S-Bahnhof Schöneweide. Es gibt kurz Aufregung, als ein von den Demonstranten für "rechts" gehaltenes Pärchen im Laufschritt Reißaus in Richtung "Henker" nehmen muss. Ansonsten ist aber noch alles weitgehend friedlich, was auch am massiven Polizeiaufgebot liegt. Wer zur Demonstration will, wird von den Ordnungskräften kontrolliert. Inzwischen ist die Brückenstraße gesperrt, da die Antifa-Demo um 17 Uhr beginnen soll.

17:30 Uhr

Die Demonstration mit jetzt ca. 350, zum Teil sehr jungen Nazi-Gegnern, ist inzwischen im Gange. Sie steht unter dem Motto: "Zum Führer mit zum Henker" - in Anspielung auf den Namen der Kneipe "Zum Henker" und den heutigen Todestag von Adolf Hitler. Noch ist alles ruhig, die Polizei muss bisher nicht eingreifen.

18:00 Uhr

Der Zug zieht von der Brückenstraße über die Spreestraße zur Schnellerstraße. An der Kreuzung Hasselwerderstraße werden die linken Demonstranten auf einige Rechte aufmerksam. Die Polizei blockt den Zugang aber sofort ab und verhindert damit mögliche Zusammenstöße. Kurzzeitig macht das Gerücht von Festnahmen die Runde, doch es erweist sich offenbar als falsch. Die Demonstrationsteilnehmer, deren Zahl jetzt bei etwas mehr als 400 liegen dürfte, brüllen Parolen wie "Erster Mai - nazifrei" oder "Ob Ost oder West - nieder mit der Nazi-Pest."

Kurz darauf stoppt die Demo an der Britzer Straße, Ecke Köllnische Straße. Hier befindet sich das Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit. Es gibt jetzt offenbar eine Kundgebung. Weiterhin scheint die Polizei die Situation im Griff zu haben. Die Beamten treten zudem bewusst deeskalierend auf und verzichten im Moment beispielsweise auf das Aufsetzen ihrer Helme.

Archivfoto: Die Brückenstraße und die mit rosa Farbe beschmierte rechte Kneipe "Zum Henker" in Schöneweide.
Archivfoto: Die Brückenstraße und die mit rosa Farbe beschmierte rechte Kneipe "Zum Henker" in Schöneweide.

© dpa

18:30 Uhr

Die Demonstranten erreichen jetzt den Spreeübergang Kaisersteg. Die Polizei gibt offiziell eine Zahl von 750 Teilnehmern bekannt. Nach wie vor bleibt alles weitgehend friedlich.

19:00 Uhr

Es geht nun wieder in Richtung Brückenstraße. Derzeit befinden sich die Nazi-Gegner auf der Wilhelminenhofstraße. Im Zug ist es etwas ruhiger geworden. Kurz regt sich Unmut, als das Gerücht verbreitet wird, von einem der Dächer am Straßenrand würden Steine auf den Zug geworfen. Doch dem scheint dann doch nicht so zu sein. Überhaupt reagieren die Anwohner eher desinteressiert. Nur wenige Menschen verfolgen die Demonstration von ihren Balkons aus.

19:30 Uhr

Die Brückenstraße ist erreicht, doch zur Kneipe "Zum Henker" ist kein Durchkommen. Die Polizei hat den Eingang mit Transportern blockiert, so dass niemand herein-, aber auch keiner aus dem vollbesetzter Treff hinauskommt. Eine Zwischenkundgebung vor Ort wird den Linken von den Ordnungskräften spontan gestattet, doch derzeit wirken die Demonstranten eher ratlos und wissen nicht so recht, ob sie bleiben oder weiterziehen sollen.

Nach kurzer Pause geht es dann doch weiter. Mit Parolen wie "Wir kriegen euch alle" und "Reißt den Henker ab" geht es direkt an der Kneipe vorbei. Doch die Polizei lässt niemanden durch. Dann stockt die Menge kurz, aber es bleibt zunächst bei Drohgebärden und Provokationen. Schließlich werden die Demonstranten von der Polizei aufgefordert weiterzuziehen und fügen sich dem nach kurzen Zögern offenbar auch.

20:00 Uhr

Am S-Bahnhof Schöneweide versammeln sich die Demonstranten zu einer Abschlusskundgebung. Bezirksbürgermeisterin Gabriele Schöttler (SPD), die den Zug zusammen mit anderen Kommunalpolitikern begleitet hat, zeigt sich sehr zufrieden. Sie lobt die Teilnehmer für ihren friedlichen Protest. Größere Zwischenfälle sind in der Tat ausgeglieben, das Konzept der Polizei scheint aufgegangen zu sein.

20:15 Uhr

Ein letzter Blick zurück "Zum Henker". Linke und Polizei sind aus der näheren Umgebung abgezogen. Die Kneipe ist wieder offen, einige Rechte stehen mit Bier in der Hand vor der Tür. Abgesehen von zwei Farbeiern, die einen roten und einen grünen Klecks neben dem Namensschild hinterlassen haben, erinnert beinahe nichts mehr an die Geschehnisse von eben.

Ende.

Ergänzung, 21:30 Uhr

Wie die Polizei berichtet, wurden zwei Personen im "Henker" festgenommen. Ein Besucher der Kneipe hatte vor dem Demonstrationszug vor der Tür des "Henker" den Hitlergruß gezeigt und wurde dabei von Fernsehkameras gefilmt. Der Sender gab die Bilder an die Polizei weiter, die daraufhin nach der Demo die Person identifizieren und im Lokal verhaften konnte. Dabei wurde auch noch ein weiterer Gast in Gewahrsam genommen, der seine am Oberarm tätowierten SS-Runen offen zur Schau stellte.

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