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Stresstest. Für viele Bürger sind diese Ämter ein Dauerärgernis

© Kai-Uwe Heinrich

Wartezeiten bei Bürgerämtern: Berlin will Termine vorerst nur per Telefon vergeben

Die Koalition in Berlin verspricht den Bezirken mehr Personal für Bürgerämter. Nach einer Übergangsphase sollen Termine online ein halbes Jahr im Voraus erhältlich sein.

Wenn Sie aktuell (weil Ihnen auf dem Weihnachtsmarkt zum Beispiel Ausweise stibitzt wurden) die Berliner Bürgerhotline anrufen, werden Sie von Marimba-Akkorden empfangen, eine sanfte Stimme begrüßt: „Herzlich willkommen bei der 115. Sie haben das Service Center in Berlin erreicht.“ Noch etwas Sound, dann die Vertröstung: „Im Moment sind alle unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Gespräch. Bitte versuchen Sie es später noch einmal.“

Nach weiterem Dingdong endet der Kontakt abrupt. Da klingt die jüngste Erfolgsmeldung der großen Koalition eigentlich wie eine supergute Nachricht: Zur Rettung überlasteter Bürgerämter und zur Besänftigung entnervter Berliner, die derzeit erst für Ende Januar Termine bei der Verwaltung buchen können, haben sich die SPD- und CDU-Fraktionen im Abgeordnetenhaus auf eine Liste geeinigt. Bis zum 9. Dezember müsste diese im Hauptausschuss durchgewunken und tags darauf mit dem Haushalt vom Parlament genehmigt werden.

Zwei Minuten Telefon-Wartezeit

Demnach sollen künftig Terminbuchungen online bis zu einem halben Jahr im Voraus möglich sein. Bisher sind es höchstens drei Monate. Zudem möchte man das Terminangebot, sobald die kommenden acht Wochen ausgebucht wären, „kurzfristig erhöhen“; wenn ein Termin storniert sei, soll er gleich neu angeboten werden. Ferner ist es endlich erlaubt, mehrere Amts-Dienstleistungen im Rahmen eines einzigen Termins zu genießen. Die Telefon-Wartezeit bei der Behördenhotline 115 soll auf zwei Minuten reduziert werden, auch zur Stoßzeit. Sogar sollen Bürgerämter demnächst sogar abends und sonnabends Publikum empfangen. Bürger sollen außerdem mehr Amtsgeschäfte online erledigen können, ohne persönlich im Amt vorzusprechen.

Darüber hinaus will die Koalition gegen den Missbrauch der Online-Terminbuchung vorgehen, bei der sich zuletzt kommerzielle Zwischenwirte breitgemacht hatten: Technische Tricks sollen künftig die automatisierte Belegung offener Termine und ein Gesetz den Terminhandel verhindern. Bis das greift, sollen Termine nur noch telefonisch vergeben werden. Vor allem erhält jeder Bezirk drei weitere Stellen im Bürgeramt, der Personalabbau wird ausgesetzt, Arbeitsbedingungen seien zur Anlockung guter Bewerber „attraktiver“ zu gestalten.

Wenn Steinmeier also ein so ausgezeichneter Politiker sein soll, dann wäre er als Außenminister besser aufgehoben als als Bundespräsident. Die SPD verliert dann auch ein wichtiges Wahlkampfpferd. Vielleicht ist das auch der Grund, weshalb sich die Union mit dem Vorschlag einverstanden erklärt hat?

schreibt NutzerIn fiffikronsbein2

Analoge Wartenummern

„Insgesamt nicht so schlecht“ nennt Thomas Birk den Katalog, im Detail hat der Grüne und Vize-Vorsitzende des Ausschusses für Digitale Verwaltung aber dennoch einiges zu meckern. Eine Personalaufstockung beim Hotline-Callcenter sei bei diesem Konzept nicht vorgesehen: Hier dürfte ein neuer Stau entstehen.

Auch die Drei-Stellen-Aufstockung vor Ort werde nicht reichen, die Einführung einer neuen Software Anfang 2016 produziere demnächst weitere Verzögerung, dabei sei der absehbare Andrang anerkannter Asylbewerber auf Bürgerämter „noch nicht eingepreist“. Warnungen der Landeswahlleiterin, dass verschleppte Anmeldungen die Vorbereitung für die Abgeordnetenhauswahl 2016 gefährden, hätten die Koalition offenbar zu dieser Aktion bewegt. Man werde aber nicht darum herumkommen, ergänzend die jüngst abgeschafften analogen Wartenummern im Bürgeramt wieder einzuführen.

Dagegen verteidigt CDU-Haushaltssprecher Christian Goiny das Maßnahmenpaket als zielführend, um dem „großen Ärgernis“ der Wartezeiten für An- und Ummeldungen und so auch einer Bremsung der Wahlvorbereitung zu begegnen. Über zweckgebundene Haushaltszuwendung steuere man die Situation; Mittel für jene Stellen, die Bezirke bis zum 31. Mai nicht geschaffen hätten, fielen dann anderen Bürgerämtern zu, anmelden könne man sich ja auch dort. Die Situation im Callcenter ITDZ müsste allerdings ebenda organisatorisch „optimiert“ werden – den entscheidenden „Flaschenhals“ erkennt Goiny im Bürgeramt vor Ort.

Ausfall- und Vergessensquote steigt

Deutlich kritischer sieht Stephan von Dassler die Pläne der Koalitionsfraktion. Der grüne Bezirksrat für Bürgerdienste in Mitte kann nicht verstehen, wie das Callcenter ITDZ, in dem bislang "nur eine kleine Minderheit" Terminabsprachen mit den Bürgerämtern vornahm, für einen größeren Anrufer-Ansturm gerüstet sein soll.

Wo sechs Monate im voraus Termin-Fixierung möglich sei, steige außerdem die Ausfall- und Vergessensquote erheblich. Außerdem habe letztlich kein Bürger etwas davon, telefonisch Termine zu vereinbaren, von denen es zunächst einmal für längere Zeit unterm Strich einfach zu wenig gebe. Das lasse sich auch durch 30 neue Stellen, die nun ausgeschrieben werden und bis zum Sommer vielleicht besetzt seien, nicht kurzfristig verbessern. "Ich würde gern mal das Eingeständnis von Senatsseite hören, dass der Personalabbau in der bisherigen Form nicht sinnvoll war," sagt von Dassler.

Neue Stellen

"Sicher werden wir auch die neuen Kräfte im Rahmen der Flüchtlingswelle nutzen, bis zum Sommer aufstocken und die Leute dann einarbeiten, aber einsatzfähig sind sie dann erst im September." Dass es bei der Wahlvorbereitung zu Engpässen aufgrund verspäteter Anmeldung komme, sei so auf diese Weise kaum zu verhindern. Außerdem sei es problematisch, ruckzuck geeignete Leute zu finden, "die Guten bewerben sich nicht auf befristete Stellen".

Das Konzept, abends und am Wochenende Publikumstermine anzubieten, bezeichnet Stadtrat von Dassler ebenfalls als unrealistisch. Hier würden Erwartungen geweckt, die man nicht einhalten könne. Wo ein Team von 50 Personen durch drei Neuzugänge verstärkt werde, sei damit noch kein Samstagsbetrieb aufrechtzuerhalten. Versuche anderer Bezirke hätten in der Vergangenheit gezeigt, wie ineffizient ein solches Samstags-Experiment für die Verwaltung sei: Wer am Wochenende fünf Stunden arbeite, erhalte am Montag acht Stunden frei. Diese Verlagerung sei unnötig: "35 Wochenstunden reichen für Termine aus."

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