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Berlins Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) will von "Femizid" und nicht von "Ehrenmord" sprechen.

© Annette Riedl/dpa

Update

„Das ist keine Frage von Herkunft“: Warum Berlins Sozialsenatorin den Begriff „Ehrenmord“ ablehnt

Elke Breitenbach nennt die Tötung einer jungen Mutter aus Afghanistan nicht „Ehrenmord“, sondern „Femizid“. Der Mord an Frauen sei nicht „importiert“, sagt sie.

Nach der Tötung der zweifachen Mutter Maryam H. aus Afghanistan mutmaßlich durch zwei ihrer Brüder hat Berlins Sozialsenatorin Elke Breitenbach ihre Ablehnung der Bezeichnung „Ehrenmord“ bekräftigt. Sie bleibe dabei, dass Begriffe wie „Ehrenmord“, „Mord aus Leidenschaft“ oder „Familiendrama“ ungeeignet seien, um Morde wie den an der Afghanin zu beschreiben, sagte die Linken-Politikerin nach der Senatssitzung am Dienstag auf Nachfrage.

„Sie machen nicht deutlich, worum es geht. Hinter den Morden steht keine Religion oder Kultur, sondern eine patriarchale Struktur“, sagte Breitenbach. Die genannten Begriffe würden verkennen, dass Frauen ermordet würden, weil sie Frauen seien. „Wären sie Männer, würden sie noch leben. Frauen wird verboten, ihr Recht auf Selbstbestimmung wahrzunehmen. Wenn sie sich dieses Recht nicht nehmen lassen, sind sie in Gefahr, ermordet zu werden.“ Breitenbach verwende deshalb weiterhin den Begriff „Femizid“.

Breitenbach wandte sich außerdem an ihre Kritiker: „Dass mir Verharmlosung vorgeworfen wird, macht mich fassungslos.“ Aus ihrer Sicht seien Begriffe wie „Ehrenmord“ oder „Familiendrama“ verharmlosend.

Ihr liege es fern, Taten zu ignorieren oder kleinzureden, sagte die Senatorin. „Aber so zu tun, als sei der Mord an Frauen importiert, ist auch nicht richtig.“ Es habe schon immer deutsche Männer gegeben, die ihre Frauen ermordeten. „Das ist keine Frage von Herkunft, sondern eine Frage von Geschlecht. Die meisten Morde an Frauen finden von Männern statt. Und zwar von Männern aus ihrem nahen Umfeld.“

Dazu sagte Breitenbach weiter: „Männer müssen sich mal überlegen, was das für Frauen bedeutet.“ Breitenbach hob hervor, dass die Senatsverwaltung für Soziales gezielt die Zahl von Frauenunterkünften für Geflüchtete erhöht habe und in allen Gemeinschaftsunterkünften für Geflüchtete Frauen- und Kinderschutzprogramme gestärkt habe.

Seyran Ates: "Ein Armutszeugnis für die Politik"

Die Frauenrechtlerin und Rechtsanwältin Seyran Ates widersprach im RBB-Inforadio deutlich. Man müsse klarstellen, dass es bei diesen Taten um die westliche Lebensweise von Frauen und Morde im Namen einer angeblichen Familienehre gehe. Das werde in Deutschland nicht genug thematisiert und man sehe da nicht genau hin. Es gebe diesen speziellen Ehrbegriff der Familie in bestimmten Gesellschaften und die männlichen Täter handelten danach. In klassischen deutschen Familien würden Brüder keine Schwester töten, weil sie zu westlich lebe.

Die Frauenrechtlerin Seyran Ates.
Die Frauenrechtlerin Seyran Ates.

© Daniel Karmann/dpa

„Ehrenmorde sind aber nur die Spitze des Eisbergs“, sagte Ates am Dienstag. Es gebe weiterhin große Probleme in Parallelgesellschaften mit der Unterdrückung von Frauen und Gewalt. Wenn die Integrationspolitik das nicht sehe, „ist das ein Armutszeugnis für die Politik“.

Der Psychologe und Autor Ahmad Mansour wies im Tagesspiegel-Interview auf große Unterschiede beim Thema Frauenrechte und Sexualität zwischen Teilen der arabischen Gesellschaften und Deutschland hin. Er kritisierte, Integrationspolitik und Flüchtlingsinitiativen würden diese Probleme oft verdrängen. Die Leidtragenden seien die Frauen.

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Der Berliner CDU-Vorsitzende und Spitzenkandidat für die Abgeordnetenhauswahl, Kai Wegner, hatte bereits am Sonnabend gefordert: „Wir brauchen eine offene Debatte über gescheiterte Integration aufgrund archaischer Wertvorstellungen, die aus den Herkunftsländern nach Deutschland mitgebracht werden.“

Auch die Spitzenkandidatin und Vorsitzende der Berliner SPD, Franziska Giffey, widersprach der Senatorin. "Es muss klar benannt werden, dass das nichts anderes ist als ein schrecklicher Ehrenmord", erklärte Giffey am Sonntag. "Nur, wenn wir das tun, wenn Zwangsheirat und Ehrenmorde und auch ihre religiösen und kulturellen Hintergründe keine Tabuthemen sind, können wir wirksam gegen die Ursachen vorgehen."

Überwachungskameras dokumentierten Leichentransport im Koffer

Unterdessen wurden am Dienstag weitere Details der Tat bekannt. Die Verdächtigen sollen die Leiche ihrer Schwester am 13. Juli in einem großen Rollkoffer zwischen vielen Menschen im belebten Bahnhof Berlin-Südkreuz hindurchgezogen haben. Das zeigen Foto aus Überwachungskameras, die die „Bild“-Zeitung am Dienstag veröffentlichte. Die Brüder im Alter von 22 und 25 Jahren sollen ihre 34-jährige Schwester in Berlin getötet und ihre Leiche nach Bayern gebracht und dort vergraben haben.

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Die Staatsanwaltschaft hatte die Videoaufnahmen der Überwachungskameras ausgewertet, wollte sich aber zu den Bildern nicht äußern. Der Koffer auf den Bildern sieht ausgebeult aus und wirkt sehr schwer. Zu zweit wuchteten die beiden jungen Männer ihn in den ICE, umgeben von wartenden Reisenden. Die Kriminalpolizei zeigte später durch einen Versuch, dass sich ein Frauenkörper in dem Koffermodell unterbringen lässt.

Die Brüder sollen die Tat „aus gekränktem Ehrgefühl“ begangen haben, weil das Leben der Schwester nicht ihren Moralvorstellungen entsprochen habe, erklärte die Staatsanwaltschaft. Seit dem 4. August sitzen die Brüder in Untersuchungshaft. Die Männer und die Tote stammen aus Afghanistan und leben seit einigen Jahren in Deutschland. (mit dpa)

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