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Berlin: Warum der Innensenator irrt

Die ehemalige Ausländerbeauftragte Barbara John nimmt Muslime gegen Ressentiments in Schutz

Ich frage mich, ob der Innensenator mit seinem Interview zu Kopftuch, Schulversagen, Kriminalität, Radikalität und AusländerGettos tatsächlich die Botschaft vermitteln wollte, die er vermittelt hat? Sie lautet: Die Ausländer sind die Schuldigen an den Missständen; einige geben sich damit nicht zufrieden; sie bekämpfen jetzt sogar noch unsere demokratische Ordnung mit dem Kopftuch.

Diese Botschaften, die keineswegs neu sind, werden immer nach dem gleichen Rezept zusammengerührt: Man nehme beklagenswerte Ausnahmen und mache sie zur Regel, man unterstelle allen, was vielleicht einige beabsichtigen, man erwecke mit Zahlen den Eindruck unfehlbarer Richtigkeit. Schon köchelt das Gebräu und verbreitet einen stechenden Geruch. Aber ist es denn nicht besser Missstände zu benennen, statt zu verdrängen, mögen sich viele fragen? Ja, das ist es allemal.

Wo Missstände herrschen, müssen die Verantwortlichen ihnen ohne Scheuklappen ins Auge sehen, damit die Zustände sich bessern.

Im Zentrum des Interviews stehen aber nicht die Übelstände, sondern – gleich haufenweise – die vermeintlichen Übeltäter, also Personengruppen, wie zum Beispiel Jugendliche mit Migrationshintergrund, die angeblich massenweise gegenüber extremistischen Einflüssen anfällig sein sollen; Eltern, die ihre Kinder zum jahrelangen Schulbesuch in die Türkei schicken oder die gut ausgebildeten jungen Musliminnen, denen grundsätzlich unterstellt wird, das Kopftuch in der Schule tragen zu wollen als Zeichen ihrer eindeutigen Gegnerschaft zur nichtmuslimischen Gesellschaft.

Wer so ungenau mit seinen Vorwürfen auf Personen zielt, der brandmarkt Menschen allgemein und stellt sie an den Pranger, auch wenn das gar nicht die Absicht ist. So werden ohnehin vorhandene Ängste und Feindbilder über „die integrationsunwilligen Ausländer“ gefestigt und verbreitet.

Wer, wie der Innensenator, so eindeutige Schuldzuweisungen vornimmt, der sollte dann auch die Beweise liefern.

Wo und in wie vielen Fällen werden Hauptschulabgänger in Berlin zu Extremisten erzogen?

Wie viele Meldungen gibt es aus den Schulen, dass vor allem Mädchen zum Schulbesuch in die Türkei geschickt werden?

Wie viele Mieter leben im Neuköllner Rollbergviertel und wie groß ist der Anteil, der die Gesetze missachtet?

Was gibt dem Innensenator die absolute Gewissheit, dass Frauen, die das Kopftuch im öffentlichen Dienst tragen wollen, intolerant sind? Woran erkennt er dann den immer unterstellten Dogmatismus bei muslimischen Männern?

Düstere Vorhersagen beeindrucken und bestätigen vor allem die Ängstlichen, die Ahnungslosen, aber auch die bornierten Besserwisser.

Der Alltag in Berlin – ohne Scheuklappen betrachtet - liefert tröstlichere Fakten über das Zusammenleben der Kulturen als dieses prophetische Interview.

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