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Berlin: Warum die Berliner Wirtschaft mehr Politik braucht Industrie- und Handelskammer will einen „Vertrag für Berlin“

Woraus besteht die Zukunft? Für Ökonomen ist es klar: Aus Zahlen.

Woraus besteht die Zukunft? Für Ökonomen ist es klar: Aus Zahlen. Genauer: aus Wachstums- und Bevölkerungszahlen. So, wie sich die Bevölkerung entwickelt, sind auch die Chancen einzelner Länder oder Regionen besonders stark oder besonders langsam zu wachsen. 1996, als der Tagesspiegel und die Wirtschaftsforscher von Prognos zum ersten Mal die Perspektiven für Berlin und Brandenburg beschrieben, hatten alle noch gehofft, dass die Region einen ziemlich beeindruckenden Bevölkerungszuwachs bekommen würde. Durch den Umzug, durch die attraktive Hauptstadt, durch die Studenten, die nach dem Studium nicht mehr weg wollen.

Jetzt sieht das ein bisschen anders aus. Die Bevölkerung Berlins und Brandenburgs stagniert – und sie wird älter. Und das heißt auf lange Sicht: Sie braucht weniger Häuser, weniger Straßen, kauft weniger Möbel, arbeitet weniger produktiv. Und das heißt, dass die Wachstumskräfte schwächer werden. Und, dass mehr Wachstumspolitik gemacht werden müsste, um diesem Trend etwas entgegen zu setzen.

Der Veränderungsdruck auf die Berliner Wirtschaft und ihre Arbeitswelt wird - wie in den vergangenen Jahren - überwiegend von außen kommen. Vor allem der Beitritt der mittel- und osteuropäischen Länder zur Union kann einen Wachstumsschub auch für Deutschland und besonders für Berlin, Brandenburg und Sachsen auslösen. Wenn die Politik sich entschließen könnte, die möglichen Impulse positiv zu finden.

Daran aber bestehen wachsende Zweifel. In einem Brandbrief an den Regierenden Bürgermeister bezweifelten vergangene Woche der Präsident der Berliner Industrie- und Handelskammer, Werner Gegenbauer, und der Hauptgeschäftsführer, Thomas Hertz, offen, dass es in Berlin eine übergreifende Idee für die Entwicklung des Standortes gebe: „Neben der allgemeinen konjunkturellen Lage und dem Reformunwillen der Bundespolitik trägt auch die Politik des Berliner Senats massiv zur Verunsicherung der Wirtschaft bei“, geben die Wirtschaftsvertreter zu bedenken.

Nicht nur, dass Berlin wie kaum eine andere Stadt in Deutschland in den vergangenen Jahren immer wieder die öffentlichen Investitionen zu Gunsten der Schonung von öffentlichen Personaletats zurückgefahren habe: Damit habe die Politik dafür gesorgt, dass kleine und mittlere Unternehmen in der Stadt wesentlich weniger Aufträge bekommen als in anderen Kommunen. Schlimmer noch sei, dass auch die „Giftliste, wie sie der Finanzsenator jetzt in die Öffentlichkeit lanciert, das reine Gegenteil von Standortpolitik ist“.

Berlin braucht ein Leitbild

Energisch fordern die beiden Kammervertreter eine „Verabredung für Berlin“. Die Stadt brauche ein Leitbild, wohin die Stadt will, welche Stärken es zu stärken und welche Schwächen es abzubauen gilt.“ Das aber heißt nichts anderes als das, was auch die Wirtschaftsforscher vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung seit langem fordern: Berlin muss sich entscheiden, Prioritäten setzen,. Um die wirtschaftlichen Impulse, die wegen der Bevölkerungsentwicklung nicht mehr von selbst kommen, wirtschaftspolitisch zu fördern.

„Die undifferenzierte Rasenmäherliste des Finanzsenators gefährdet aber gerade die Stärken der Stadt“, monieren Gegenbauer und Hertz. „Die Leistungsträger sind nicht mehr mit Forschung, Lehre, Geschäften, Kunst und Kultur beschäftigt, sondern nur noch mit der Abwehr der nicht zu Ende gedachten Attacken aus der Finanzverwaltung. Wer in diesem Jahr verschont wird, befürchtet, auf der „Giftliste“ des nächsten Jahres zu stehen.“

Das lähme die Kraft der Stadt, anstatt sie zu stärken. „Verabredungen zur Stärkung definierter Technologiefelder, des Tourismus, der Wissenschaft, Kultur und Medien müssen verbindlich gemacht werden“, verlangen die Kammervertreter. Die Wirtschaftsforscher würden das unterschreiben.

Auch wenn die Berliner Verwaltung von den Unternehmern in den letzten Monaten immer wieder als „so schlimm ist sie gar nicht“ beschrieben wurde, so ist doch klar: So richtig attraktiv für Neuansiedlungen ist sie trotz des spektakulären Umzugs von Medienunternehmen wie beispielsweise Universal nicht geworden. Vor allem die kleinen und mittleren Unternehmen, die für die meisten Arbeits- und Ausbildungsplätze sorgen, scheuen eine Ansiedlung in Berlin.

Die Wirtschaftsvertreter empfehlen gegen die Angst der Unternehmer vor der Verwaltung eine Maßnahme, die nicht besonders viel kostet, im Gegenteil: Durch Bürokratieabbau könnte der Senat tatsächlich sparen. Und die Unternehmen würden auch sparen, meinen auch die Wirtschaftsforschungsinstitute. Berlin müsste sich eben nur entscheiden, diesen Weg zu gehen.uwe

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