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Berlin: Warum die Seestraße baden ging

Der neue Mietspiegel nennt Auf- und Absteiger. Hackescher Markt und Lennédreieck machten den größten Sprung nach oben

Sie gehören zu den Gewinnern im neuem Mietspiegel: die Friedrich-Wilhelm- Stadt nördlich des S-Bahnhofes Friedrichstraße, das Lenné-Dreieck und der Hackesche Markt. Diese Stadtteile wurden hochgestuft: Aus diesen zuvor „einfachen“ Lagen wurden „mittlere“, teilweise sogar „gute“ Stadtquartiere. Unter den Verlierern sind dagegen Straßenzüge in Wedding und Weißensee: Galten diese im letzten Mietspiegel vor zwei Jahren noch als mittlere Lagen, ging es mit ihnen in der neuesten Erhebung wieder bergab: Künftig sind es einfache Lagen mit geringeren Vergleichsmieten.

Für Mieter und Eigentümer sind diese Nachrichten wichtig: Denn jedes Haus in Berlin ist im neuen Mietspiegel verzeichnet. Eine gute Wohnlage ist teurer als eine einfache. Wer in einer Straße wohnt, die hochgestuft wurde, muss mit einer Mieterhöhung rechnen – und er hat schlechtere Aussichten, sich erfolgreich gegen den höheren Preis zu wehren. Denn im Falle eines Rechtsstreites werden die Vergleichsmieten herangezogen.

„Den größten Sprung gab es bei der Einstufung des Hackeschen Marktes, der sich von einer einfachen in eine gute Lage verbesserte“, sagt Florian Schnoor vom Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen. Das Überspringen einer ganzen Wohnwertklasse, der mittleren Lage, gelang sonst nur dem Lenné-Dreieck: Dort war zuvor nur märkischer Sand, nun stehen hier das Beisheim-Center und andere Neubauten. Zum Teil entstanden auch teure Wohnungen mit überdurchschnittlicher Ausstattung. Dieser hohe Wohnwert und natürlich die Lage im Zentrum der Stadt, in unmittelbarer Nachbarschaft von Potsdamer Platz und Sony-Center, erklären die Einstufung in der höchsten Mietspiegelklasse: als gute Lage.

Ganz und gar nicht zentral gelegen, aber dennoch ein Aufsteiger ist das Quartier Siemensstadt. Für die früheren Werkswohnungen, die zwischen Reinickendorf und Spandau errichtet wurden, müssen nun Mieten bezahlt werden, die auch in anderen mittleren Wohnlagen üblich sind; zuvor galt die Siemensstadt als einfaches Wohngebiet. Ein Grund für diese Aufwertung sind die Investitionen, die zunächst vom Elektrokonzern selbst in die Immobilien geflossen sind. Später übernahm der private Investor HPE die Wohnhäuser und sanierte sie.

Wenig überraschend ist der Aufstieg der Reinhardtstraße sowie von weiten Teilen der so genannten Friedrich-Wilhelm-Stadt. Angesichts ihrer Nachbarschaft zum Regierungsviertel gab es „auch hier Forderungen, diese Lage gleich um zwei Kategorien von einfach auf gut aufzuwerten“, sagt Bernd Strehlow, stellvertretener Geschäftsführer des Landesverbandes freier Wohnungsunternehmen. Doch am Ende reichte es nur für die Bewertung als mittlere Lage. In der Umgebung ist das Deutsche Theater angesiedelt, und auch die Bundes-FDP hat hier ihren Sitz. In den kleinen Straßenzügen steht der am besten erhaltene Bestand an klassizistischen Wohnhäusern Berlins. Viele dieser Immobilien wurden allerdings aufgrund der Nähe zu den Parlamentsbauten des Bundes in Büros umgewandelt.

Dagegen verschlechtert sich zusehends der Zustand der Wohngebiete in Wedding, also im nördlichen Teil des Bezirks Mitte. Hier leben überdurchschnittlich viele Menschen von staatlichen Zuwendungen. Sie können sich keine hohen Mieten leisten. Das hat sich auch in den Immobilienpreisen niedergeschlagen, die hier besonders stark gesunken sind. Da die Grundstückspreise ein Spiegelbild der Mieten sind, war die Rückstufung der Seestraße und ihrer Umgebung in eine einfache Wohnlage zu erwarten. Dass diese Lage im vorangegangenen Mietspiegel ein besseres Ansehen genoss, hing mit der an sich guten Infrastruktur zusammen: Schnelle U-Bahn-Linien verbinden Wedding mit den Zentren im Westen und Osten der Stadt. Außerdem gibt es viele Geschäfte an der Müllerstraße. Auch das zählt bei den Stadtteilnoten.

Ebenfalls nur eine einfache Lage ist Biesdorf–Nord im Bezirk Marzahn-Hellersdorf. Die Siedlung sollte Ende der 90er Jahre durch die Anlage von Eigenheimgebieten und Mietwohnhäusern zu einem Vorzeigeprojekt im Osten werden. Doch das Vorhaben scheiterte an der geringen Nachfrage.

Ebenfalls enttäuschend aus Sicht der Stadtplaner dürfte die Herabstufung der Langhansstraße in Weißensee sein. Der Straßenzug liegt in Pankow, zwischen den Wohnhäusern stehen viele frühere Gewerbebauten. Doch die Werkhallen mussten schließen, weil die Industrieproduktion hier wie in der ganzen Stadt seit über einem Jahrzehnt schrumpft. Der Rückzug der Gewerbetreibenden schlug sich in diesem Fall auch auf den Einzelhandel nieder: Viele Läden schlossen, und die schlechtere Versorgung ist ein weiterer Grund für die Abwertung der Lage.

Doch nicht überall im Osten geht es abwärts: Die Allee der Kosmonauten in Marzahn wurde aufgewertet, weil eine beachtliche Zahl von Plattenbauten nun saniert ist. Marzahn hatte während der 90er Jahre einen Investitionsschub erfahren. Fondsgesellschaften hatten Anleger für die Sanierung der Wohnungsbestände gewonnen, und mit dem privaten Kapital wurde auch ein Stadtteilzentrum errichtet. Dort siedelten sich Einzelhändler und Kaufhausketten an, so dass es den Bewohnern an nichts fehlt. Diese gute Infrastruktur spielt ebenfalls eine wichtige Rolle bei der Bewertung und der Einstufung von Lagen innerhalb der Stadt.

Der Tagesspiegel veranstaltet in Zusammenarbeit mit dem Berliner Mieterverein und dem Verband Berlin–Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) eine Telefonaktion zum neuen Mietspiegel. Experten stehen den Lesern dieser Zeitung am heutigen Mittwoch zwischen 12 Uhr und 13 Uhr unter der folgender Nummer zur Verfügung: (030)26009 239. Eine Auswahl der wichtigsten Themen veröffentlicht der Tagesspiegel am kommenden Sonnabend auf der Immobilienseite.

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