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Berlin: Warum die Versammlungsfreiheit dem Bundesverfassungsgericht ein Grundsatzurteil wert war

Als eine der Lehren aus der NS-Zeit ist die Versammlungsfreiheit eines der am weitgehendsten Rechte überhaupt: Sie gehört zu den in der Verfassung garantierten Grundrechten. "Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln", heißt es in Artikel 8 des Grundgesetzes.

Als eine der Lehren aus der NS-Zeit ist die Versammlungsfreiheit eines der am weitgehendsten Rechte überhaupt: Sie gehört zu den in der Verfassung garantierten Grundrechten. "Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln", heißt es in Artikel 8 des Grundgesetzes. "Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz (...) beschränkt werden." Die Details sind in einer Bundesregelung festgehalten - dem Versammlungsgesetz. Dementsprechend könnte das Versammlungsrecht nur über eine Bundesratsinitiative geändert werden; ein einzelnes Land darf das Gesetz nicht verschärfen.

Das Versammlungsgesetz legt fest, wann eine Demonstration verboten oder mit Auflagen versehen werden kann. Der entscheidende Passus in Paragraph 15 lautet: "Die zuständige Behörde kann die Veranstaltung ... verbieten oder von ... Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung ... unmittelbar gefährdet ist."

Nach diversen Rechtsstreiten um Verbote hat das Bundesverfassungsgericht 1985 mit dem so genannten "Brokdorf-Urteil" eine Grundsatzentscheidung getroffen, die bis heute die Richtlinie für die Verwaltungsgerichte ist. Unter Federführung des späteren Bundespräsidenten Herzog urteilten die Verfassungsrichter, die Versammlungsfreiheit dürfe nur "zum Schutz gleichwertiger anderer Rechtsgüter unter strikter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit" begrenzt werden. Die Richter stellten ebenfalls fest, dass es nicht Aufgabe der Polizei sei, über die Art der Inhalte zu entscheiden. "Die Gefahr, dass solche Meinungskundgaben demagogisch missbraucht und in fragwürdiger Weise emotionalisiert werden" könnten, könne nicht maßgebend sein. Damit ist klar festgelegt, wie mit Neonazi-Demos zu verfahren ist: Rechtsextreme Parolen alleine sind kein Verbotsgrund - wenn aber Straftaten begangen werden, wie die Leugnung des Holocaustes beispielsweise, dann kann die Versammlung verboten werden.

Wenn allerdings nicht zu befürchten sei, dass eine Veranstaltung im Ganzen unfriedlich verlaufe oder der Veranstalter einen solchen Verlauf anstrebe, bestehe das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit selbst dann, wenn nur einzelne Teilnehmer unfriedlich seien.

Holger Stark

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