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Warum Mütter ihre Kinder töten: Therapeut Peter Rott: „Das Baby wurde verdrängt“

Immer wieder hört man von Müttern, die ihre eigenen Kinder nach der Geburt umbringen. Psychotherapeut Peter Rott erklärt, dass die Tötung meist ein Versuch des Ungeschehenmachens ist.

Herr Rott, warum bringen Frauen ihre Neugeborenen um?
Dies ist ein vielschichtiges Problem. Was in diesen beiden Einzelfällen dazu geführt hat, weiß ich natürlich nicht. Aber aus der Erfahrung weiß man, dass diese Frauen zweifelsfrei eine psychische Veränderung haben. Sie befinden sich in einem großen, inneren Konflikt, weil das Kind aus ihrer Sicht nicht sein kann oder sein darf. Die Tötung ist der Versuch des Ungeschehenmachens.

Sind die Frauen dann nicht ganz bei sich?
Meine Theorie dazu ist, dass sie sich in einem Moment der Unzurechnungsfähigkeit befinden. Sie haben die Schwangerschaft, das Baby, entweder unterbewusst verdrängt oder bewusst verleugnet. Deshalb sind rationale Lösungsansätze, wie das Baby nach der Geburt zur Adoption freizugeben oder aber eine Babyklappe aufzusuchen, bei diesen Frauen gar nicht möglich. Für diese Lösungen braucht man auch eine gewisse innere Reife – und dabei meine ich nicht zwingend ein bestimmtes Alter.

Sind denn diese Kindstötungen ein Problem bestimmter Schichten?
Nein, das denke ich nicht. Da es sich um ein seelisches Problem handelt, ist diese Störung erst einmal schichtenunspezifisch. Allerdings macht es wahrscheinlich schon einen Unterschied, in welchem sozialen Umfeld man sich als Frau mit dieser Störung befindet.

Es sind zwei Babys innerhalb weniger Tage getötet worden. Kann man von einem Nachahmer-Effekt sprechen?
Das glaube ich nicht. Denn wenn man die Verdrängungs- oder Verleugnungstheorie zugrunde legt, dann kann so etwas Rationales ja gar nicht stattfinden im Kopf – nach dem Motto: Ich habe gelesen, die andere Frau hat ihr Baby umgebracht, dann mache ich das jetzt auch. Vielleicht ist dadurch, dass die Frau früher einmal von getöteten Babys gehört hat, diese Möglichkeit ins Unterbewusstsein mit eingeflossen, aber an einen direkten Nachahmer-Effekt glaube ich nicht.

Peter Rott, 54, ist Gynäkologe und Psychotherapeut in Berlin. Die Fragen stellte Tanja Buntrock.

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