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Berlin: Warum sich Mittes Baustadtrat Thomas Flierl gegen Volksfeste am Brandenburger Tor sperrt

Er war nicht eingeladen. "Nicht zuständig" hat ihm Senator Peter Strieder ausrichten lassen und auch den Tiergartener Bürgermeister Jörn Jensen nicht dazu gebeten.

Er war nicht eingeladen. "Nicht zuständig" hat ihm Senator Peter Strieder ausrichten lassen und auch den Tiergartener Bürgermeister Jörn Jensen nicht dazu gebeten. Stattdessen saß Horst Porath, der verantwortliche Baustadtrat, mit am Tisch des Senators. Wie dieser gehört er der SPD an, ist aber nicht halb so renitent wie sein PDS-Amtskollege aus Mitte, der sein Büro im 13. Stock des Rathauses an der Karl-Marx-Allee hat. Formal ist die Entscheidung Strieders korrekt, aber Thomas Flierl schmollt trotzdem. Die Siegessäule und das Lichtspektakel des Künstlers Gert Hof, um das es beim Senator gehen soll, ist Sache der Tiergartener.

Aber der 42-jährige Flierl kann sich seine Kommentare dennoch nicht verkneifen. Der Baustadtrat von Mitte ist Wortführer der Lichtdom-Kritiker, wie er überhaupt dem Silvesterspektakel in der Berliner Mitte eher ablehnend gegenüber steht. Und darüber ist er zum Medienstar geworden. Eben hat wieder das Telefon geklingelt. Das ZDF will ihn zum Lichtdom befragen. Die Rolle hat er bereitwillig angenommen, "mit den entsprechenden Konsequenzen", sagt er. Seine Arbeitstage dauern zwölf bis 14 Stunden.

Hinweise darauf, dass er formal nicht zuständig ist, wiegelt er ab: "Da kann ich den Kulturtheoretiker in mir nicht unterdrücken." Vor seinem Amtsantritt in Mitte arbeitete der promovierte Philosoph im Kulturministerium der DDR. Nach der Wende war er zunächst Kulturamtsleiter in Prenzlauer Berg, ehe er für die PDS ins Abgeordnetenhaus mit dem Schwerpunkt Kulturpolitik einzog. Schließlich wechselte er 1998 in das Bezirksamt Mitte als Baustadtrat und ist seither ständig im Gespräch. Sei es beim Streit um eine Nachtbushaltestelle am Hackeschen Markt oder um das Reiterstandbild Friedrichs des Großen, ob durch die Planung für den Boulevard Unter den Linden oder den Denkmalschutz für DDR-Architektur. Alle diese Vorgänge füllen dicke Aktenordner, aber keiner davon ist so dick, wie der mit der Aufschrift "Silvester 2000".

Angefangen hatte es vor gut einem Jahr, als Flierl Wind von Verabredungen zwischen der Senatskanzlei und Willy Kausch bekam. Der Cheforganisator der Silvestermeile Unter den Linden sollte helfen, das Kunstfest am Kulturforum zu finanzieren und im Gegenzug am Brandenburger Tor freie Hand haben. Das brachte Flierl auf die Palme. Nicht nur, weil der Bezirk sich Hunderttausende Mark an Straßengebühren nicht entgehen lassen wollte, sondern auch, weil sich Flierl Sorgen um den Rummel vor dem Brandenburger Tor machte: Das Problem sei die Belanglosigkeit der Veranstaltung, die vor der historischen Kulisse stattfindet, ihr aber nicht gerecht werde, so Flierl. Deshalb ließ er eine Art Katalog formulieren, der zur Richtlinie für Veranstaltungen auf den Straßen und Plätzen Mittes wurde, und der deutlich seine Handschrift trägt. Darin steht: Massenspektakel sind abzulehnen.

Damit ist er aber nicht immer durchgekommen - der Senat griff ein. Ein Don Quichotte? Der Titel gefällt ihm nicht: "Ich habe vielleicht ein anderes Politikverständnis", sagt er. Sein Ziel sei es, eine öffentliche Debatte in möglichst allen Bereichen anzuzetteln. Die Position des Baustadtrats von Mitte macht ihm das möglich. Als kulturpolitischer Sprecher der PDS im Abgeordnetenhaus etwa fände er nicht halb so viel Gehör: "Das ist enttäuschend, aber es stimmt", sagt er und spitzt die Ohren. Nebenan klingelt schon wieder das Telefon.

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