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Nur echt mit Rennrad: modernes Wohnzimmer.

© imago/Westend61

Warum versteht ihr Velomanics das nicht?: Räder gehören nicht ins Wohnzimmer!

Küchen, Flure, Büros: alles Parkplätze. Für Fahrräder, die zu fein für Höfe und Laternen sind. Für Radbesitzer, die Angeber sind.

Mittlerweile bin ich darauf vorbereitet. Besuch kommt immer seltener allein, sondern in Begleitung einer leichtgewichtigen Schönheit aus Karbon, die am besten – es macht doch keine Umstände, oder? – im Flur, der Küche, dem Wohnzimmer unserer Wohnung abgestellt werden darf.

Erst dachte ich: Oh, Schloss fürs Fahrrad vergessen, klar, bring mit hoch das Ding. Dann begann ich, überall Rennräder und Mountainbikes zu entdecken. An Wohnzimmerwänden oder von Wohnungsdecken hängend, auf Fotos in Einrichtungsmagazinen und bei Instagram, in Fluren und Büros.

Ein Rad ist etwa 180 Zentimeter lang. Es ist hoch. Es hat Pedale, an denen man hängen bleiben und sich verletzen kann. Es ist im Weg!

Aber das seht ihr nicht, ihr Velomaniacs. Die Frau eines Kollegen, die ihr neues Rad im Flur der Wohnung parkt, ermahnt ihn bisweilen, es nicht zu zerkratzen. Ihr seid verrückt!

Zu fein für die Fahrradständer im Hof

In meiner Welt ist ein Fahrrad ein Gebrauchsgegenstand und ein Sportgerät. In eurer ist es auch ein Prestigeobjekt. Ein lässig an die Schrankwand gelehntes Rennrad wirkt wie ein zufällig auf dem Tisch liegen gelassener Schlüssel für einen Lamborghini. Nur noch toller, weil umweltfreundlich. Passt, dass ein laut Internet gern gekaufter Rad-Wandhalter (mit LED-Beleuchtung) „The Show Off“ heißt. Kosten: 259,23 Euro.

Angesichts der hohen Diebstahls- und Vandalismuskriminalität macht es durchaus Sinn, das Fahrrad in der Wohnung übernachten zu lassen, zumal Fahrräder in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern exorbitant teuer sind.

schreibt NutzerIn tweet4fun

Ihr Wohnzimmer- und Büroparker habt längst eine Zweiklassengesellschaft etabliert, in der ihr zu fein seid für die Fahrradständer im Hof, für die Laternenmaste auf dem Bürgersteig. Die sind uns vorbehalten, mit unseren vom Berliner Kopfsteinpflaster platt gefahrenen Hollandrädern, um die es eh nicht schade ist. Eure Reifen sind dagegen gestählt und sauber wie geleckt. Vermutlich tragt ihr die Dinger draußen sowieso herum, anstatt euch draufzusetzen. Sind ja so kostbar.

Auch mein Fahrrad hat schon Nächte neben mir geschlafen. Kurz nachdem ich es zum Geburtstag geschenkt bekommen hatte – in der Grundschule. Aber sind wir 28-Zoll-Fahrer nicht alt genug, unsere Herzen nicht mehr so sehr an einen Gegenstand zu hängen?

Es mangelt an sicheren Abstellplätzen

Nein, sagt meine beste Freundin, die ihr blaues Rennrad hinter ihrem Schreibtisch im Büro parkt. Ganz abgesehen davon, dass so ein Rad locker ein Monatsnettogehalt kosten kann, der Wert also mitnichten nur emotional ist.

Natürlich ist ein Parkplatz in der Teeküche der optimale Diebstahlschutz. Alle 17 Minuten wird in Berlin ein Rad geklaut, rund 30.000 pro Jahr. Auch mir wurde schon eines gestohlen – nicht mal von der Straße weg, sondern aus dem Fahrradkeller. Es war abgeschlossen, genauso wie die Kellertür. Vermutlich wäre das nicht geschehen, hätte es im Wohnzimmer an der Wand gehangen.

Fahrraddiebe sind fies, das Schicksal noch fieser. Es mangelt an sicheren Abstellplätzen, Berlin braucht mehr Fahrradbügel, vielleicht die ein oder andere Fahrradgarage. Aber ein Rad überall mit hinzuschleppen, kann auch nicht die Lösung sein. Vor allem jetzt, wenn der Herbst kommt und mit ihm der Regen. Ein Hund kann sich vor der Eingangstür noch eben schütteln – ein Rad tropft stumm vor sich hin. Bitte nicht auf meinen Teppich.

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