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Was macht die Familie?: Abgenabelt werden

Wie eine Mutterdie Stadt erleben kann.

Reden wir mal von Abnabelung. Ein wichtiges Thema für mich! Normalerweise stehen da die Kinder im Fokus, die lernen sollen, sich von ihren Eltern zu lösen. Darüber gibt es endlose Abhandlungen. Aber wer denkt eigentlich an die Mütter, die mir nichts, dir nichts schnöde abgenabelt werden sollen? Noch vor kurzer Zeit hätte ich bei dem Thema nur gelangweilt abgewinkt und keinen Grund für irgendwelches Gegreine gesehen. So ist der Gang der Dinge, hätte ich gesagt: Die Kinder werden erwachsen, gehen ihren Weg und irgendwann aus dem Haus. Sie machen ihr Ding – und die Mütter ihrs. So what? Wo ist das Problem? Ich bin doch keine Glucke, die nur um ihr kleines, hilfloses Küken kreist.

Tja, manchmal ändern sich Einstellungen sehr schnell. Rational betrachtet gibt es natürlich kein Problem. Charlotte macht Abitur, beendet einen Lebensabschnitt und fängt einen neuen an. Aber mal ehrlich, was ist an Mutter-Kind-Beziehungen schon rational? Genau deswegen ist alles eben doch nicht so einfach wie früher einmal gedacht.

Die Zeit, die wir als Familie so eng miteinander verbringen, läuft unwiderruflich ab. Die nächsten Wochen des Miteinanders werde ich genießen und so schön gestalten wie irgend möglich, um dem Kind die Fluchttendenzen ein wenig zu verleiden. Aber schon im Sommer wird es leerer werden in unserem Haus. Ruhiger. Und damit vielleicht auch langweiliger.

Da hilft nur vorbeugen, sich Abwechslung verschaffen. Und versuchen, der Entwicklung positive Aspekte abzugewinnen. Beispielsweise ist es jetzt so viel leichter, kleine Fluchten zu planen. Rücksicht auf irgendwelche Schultermine muss nicht mehr genommen werden. Mein Mann und ich haben schon unseren Urlaub erstmals außerhalb der Berliner Schulferien gebucht. Mit der ältesten Freundin aus meinen Grundschultagen ist für den Sommer eine Tour fest eingeplant. Vier Tage lang im Allgäu von Hütte zu Hütte wandern. Das war nämlich mit meiner Tochter nie zu machen.

Mit einer anderen Freundin habe ich vor kurzem mal wieder das richtige Ausgehen geübt. Einen ganzen Abend lang Cocktails trinken, hinterher noch einen Absacker im Kumpelnest nehmen und dann ganz spät nach Hause kommen. Meine Tochter beschwerte sich am nächsten Morgen, dass ich mich in der Nacht gar nicht bei ihr zurückgemeldet hatte, so wie sie das immer macht/machen muss. Wie sich doch die Zeiten ändern. Sigrid Kneist

Stilvoll trinken können abgenabelte Mütter in der Victoriabar, Potsdamer Straße 102, 10785 Berlin, www.victoriabar.de

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