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Was macht die Familie?: Das Kind belohnen – mit Speck

Wie ein Vaterdie Stadt erleben kann.

Heute gibt es nur ein Thema. Heute gibt es Zeugnisse. Das habe ich vor einem Jahr geschrieben. Und heute stimmt es wieder, es ist so weit. Jetzt hat Leo schon Halbzeit in der fünften Klasse! Das erste Zeugnis auf dem Gymnasium! Finanzielle Belohnungen für gute Noten haben wir aufgegeben. Abgemacht waren zweieinhalb Euro für eine Eins und ein Euro für eine Zwei, aber er und wir haben irgendwie das Interesse daran verloren. Das ist vielleicht auch besser so.

Also kein Geld. Belohnt werden muss er trotzdem, es war schließlich ein hartes Halbjahr. Leo hat das erste Mal richtig pauken müssen. Zum Zeugnis gibt es ein cooles grünes Kapuzenshirt und neongrüne Kopfhörer – er ist in einer grünen Phase. Die eigentliche Belohnung ist aber die bevorstehende Verwöhnwoche bei der Omi. Meine Schwiegermutter hat uns besucht und nimmt Leo morgen mit nach Bayern, die beiden fahren mit dem Bus.

Das Thema Belohnung geht mir schon tagelang im Kopf herum. Vergangene Woche habe ich im Tagesspiegel über Folgestudien zu dem legendären Marshmallow-Experiment der 60er Jahre gelesen. Drei- bis Fünfjährige hatten damals ein Stück Mäusespeck vorgesetzt bekommen, das sie aber eine Viertelstunde lang nicht essen sollten. Wer das durchhalte, bekomme ein zweites Stück, wurde ihnen gesagt. Manche Kinder konnten ihr Bedürfnis nach Süßem aufschieben, andere nicht. Über die Jahre stellte sich heraus, dass die Kinder, die es geschafft hatten, als Erwachsene mehr Erfolg im Leben haben. Impulskontrolle und Willensstärke zahlen sich aus. Das beschäftigt mich. Wie hätte ich wohl abgeschnitten? Würde das etwas erklären? Und soll ich das Experiment mit Leo machen? Er ist schon zehn, da hält er es bestimmt eine Viertelstunde aus. Und wenn nicht?

Vielleicht ist so viel Beherrschung gar nicht erstrebenswert. Ich bin ratlos, mal wieder. Ich wünsche meinem Kind das Beste, er soll Erfolg haben, aber ein Roboter darf er nicht werden. Eines wird mir klar: Ich muss Marshmallows besorgen. Der Impuls lässt sich kaum kontrollieren. Moritz Döbler

Edlen Mäusespeck, zum Beispiel mit Maracujageschmack, gibt es samstags bei „got dessert?“ auf dem Wochenmarkt am Boxhagener Platz. Eine Schachtel mit vier Stück kostet 3,50 Euro, das reicht für zwei Probanden.

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