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Nach einer Tortur des Auswählens und Anprobierens, hat sich das Kind für diesen Schulranzen entschieden. Die Mutter findet: Es hätte schlimmer kommen können.

© privat

Was macht die Familie?: Den Ranzen-Führerschein bestehen

Im September ist wieder Einschulung. Unsere Redakteurin Tanja Buntrock war mit ihrer Tochter eine Schultasche kaufen. Doch damit nicht genug: Das Kind machte den "Ranzenführerschein".

Früher war alles besser. Auch einfacher. Ist ja klar. Es gab mehr Lametta, Deutschland wurde noch Europameister und die Auswahl zwischen Schultornistern ging so: Scout oder Amigo, rot oder blau. Heute ist alles komplizierter.

Nach den Ferien kommt mein Mädchen in die Schule. Weil bei uns allerlei los war, habe ich mich mit dem Thema Schulranzen nicht beschäftigt. Ein Fehler, wie mir bald klar wurde. Die anderen besaßen natürlich längst einen Tornister. Ich hatte die goldene Regel „Wenn Schulranzen-Kauf, dann im Frühjahr“ nicht beachtet. Da seien die Modelle günstiger, belehrte mich eine Mutter. Dieser „unmenschliche Druck“ stieg, als neulich der Vorstellungsbrief der künftigen Klassenlehrerin an meine Tochter zu uns ins Haus kam. „Du freust Dich bestimmt schon auf die Schule und Dein Ranzen steht schon bereit“, schrieb sie. Ich musste handeln.

Ein Klick im Internet und rasch wurde deutlich: Das wird was Wissenschaftliches. Es poppten allerlei Ranzenratgeber auf Familienseiten auf. Ergonomie, Katzenaugeneffekt, Schultergurte, Standfestigkeit, Schadstoffe…alles sehr wichtige Kriterien, die zu beachten seien. Die Stiftung Warentest und Öko-Test hatten Tornister auf alles Mögliche untersucht. Es wimmelte von Markennamen, von denen ich selbstverständlich noch nie etwas gehört hatte.

Ich brauchte einen Ranzenfachhandel und eine Ranzenfachverkäuferin. Was ich nicht wusste: Um den Dreiklang zu komplettieren, brauchte das Kind einen Ranzenführerschein. Den konnte man bei einem dieser Anbieter machen, freiwillig natürlich. Meine Tochter war begeistert. Ich fragte mich kurz, wie wir unsere Grundschulzeit überstanden haben, so ganz ohne Ranzenführerschein.

Blinkende Schultornister mit Leuchtstreifen, dazu Chart-Musik und Eltern mit Kindern - eine unerträgliche Kombination

Wenig später fand ich mich mit meiner Tochter in dem Fachhandel wieder. Riesige Ausstellungsflächen mit Schultornistern und Rucksäcken, einige blinkten. Andere waren auch ohne Leuchtstreifen so hässlich, dass mir ganz schwindelig wurde. Dazu Chart-Musik aus dem Radio. Dazwischen Kinder und Eltern. Alles in allem eine unerträgliche Kombination.

Meine Tochter probierte nach Anleitung der Fachverkäuferin einen Ranzen nach dem anderen auf. Ich holte mir derweil wissenschaftlichen Beistand und ließ die jeweiligen Marken und Testergebnisse von daheim googeln. Am Ende entschieden wir uns für einen Tornister, der ihr passte und gut abschnitt bei den Tests. Das Design…Nun ja, ein Pegasus und Sterne zieren das gute Stück. Am Ende folgte der Führerschein-Test in Kleingruppen unweit der Ausstellungsregale. Das Kind ist stolz auf das Zertifikat mit Foto. Sie wurden nicht nur gefragt, wo die Trinkflasche verstaut wird und wie der Verschluss funktioniert. Bei der letzten Frage hatte die Ranzendame ernsthaft von den anwesenden Kindern wissen wollen, wo sie ihren neuen Schulranzen tragen: „Auf dem Kopf? Oder hängt ihr ihn Euch an die Ohren?“ – „Neeeein“, riefen die wie im Kasperle-Theater. „Auf dem Rücken“. Wie hielte man die Illusion eines intelligenten Kindes aufrecht, wenn es hier die falsche Antwort gegeben hätte.

Schultornister gibt es fast überall im Handel - oder Online. Den Ranzenführerschein kann man bei „Ranzenfee & Koffertroll“ machen.

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